3 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

3.1 Gefahrstoffentstehung bei einzelnen Verfahren

3.1.1 Allgemeine Hinweise zu Verfahren

(1) Durch schweißtechnische Arbeiten werden Gefahrstoffe freigesetzt, die aus partikelförmigen und/oder gasförmigen Gefahrstoffen bestehen.

(2) Die partikelförmigen Emissionen werden Schweißrauche genannt. Schweißrauche sind Stoffgemische, deren chemische Zusammensetzungen und Konzentrationen von den eingesetzten Werkstoffen und den angewendeten Verfahren abhängig sind. Die freigesetzten Partikeln können sowohl der alveolengängigen Staubfraktion (A-Staub) als auch der einatembaren Staubfraktion (E-Staub) angehören, siehe Bild 1 und Nummer 3.1.2 bis 3.1.5. Des Weiteren können sogenannte ultrafeine Partikel entstehen, deren Durchmesser im Nanometerbereich liegen.


Bild 1: Einteilung partikelförmiger Gefahrstoffe in der Schweißtechnik nach Partikelgröße (Vorkommen) in Anlehnung an DIN EN 481.

(3) Tätigkeiten im Anwendungsbereich dieser TRGS werden vier Hauptverfahren zugeordnet:

  1. Schweißen,
  2. thermisches Schneiden,
  3. thermisches Spritzen und
  4. Löten.

3.1.2 Schweißen

(1) Beim Schweißen entstehen in der Regel über 95 Prozent der Schweißrauche aus dem Zusatzwerkstoff und nur etwa fünf Prozent aus dem Grundwerkstoff. Die Einzelpartikel sind vorwiegend kleiner als 1 µm und daher alveolengängig. Es bilden sich auch Agglomerate größeren Durchmessers.

(2) Als entstehende gasförmige Gefahrstoffe sind insbesondere zu berücksichtigen:

  1. Ozon beim MIG-Schweißen von Aluminiumwerkstoffen,
  2. Kohlenmonoxid beim MAGC-Schweißen von un- und niedriglegiertem Stahl und
  3. nitrose Gase (NO, NO2, NOX) bei autogenen Verfahren

(Verfahrensbezeichnungen siehe Anlage 1).

3.1.3 Thermisches Schneiden

Beim thermischen Schneiden entstehen die Rauche aus dem Grundwerkstoff. Die Rauchzusammensetzung ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Grundwerkstoffs und aus gegebenenfalls vorhandenen Beschichtungen oder Verunreinigungen. Die im Rauch enthaltenen Partikel haben Durchmesser zwischen 0,03 und – in agglomerierter Form – etwa 10 µm. Sie sind vorwiegend alveolengängig. Außerdem entstehen vor allem beim Brennschneiden und beim Plasmaschneiden mit Druckluft nitrose Gase. Beim Plasma- und Laserstrahlschneiden von Aluminiumwerkstoffen ist neben dem Freisetzen von Partikeln insbesondere mit der Entstehung von Ozon zu rechnen.

3.1.4 Thermisches Spritzen

Die beim thermischen Spritzen entstehenden Rauche und gasförmigen Gefahrstoffe bilden sich aus dem Spritzzusatzwerkstoff und den verwendeten Brenn- und Trägergasen. Die chemische Zusammensetzung dieser Rauche ist abhängig von der Zusammensetzung des eingesetzten Spritzzusatzwerkstoffes. Beim thermischen Spritzen bilden sich Partikel mit bis zu 100 µm Teilchengröße. Sie sind einatembar und teilweise alveolengängig. Insbesondere beim Flammspritzen treten darüber hinaus nitrose Gase auf.

Tabelle 1: Beurteilung der Verfahren anhand von Emissionsraten unter Berücksichtigung werkstoffspezifischer Faktoren bzw. Wirkungen; Zuordnung zu Gefährdungsklassen.

Verfahren Emissi-
onsrate3
(mg/s)
Gefährdungsklasse der Verfahren4
Atemwegs- und lungenbelastende Stoffe Toxische oder toxisch- irritative Stoffe Krebserzeugende Stoffe,
UP5 < 1 niedrig niedrig niedrig
Gasschweißen (Autogenverfahren) < 1 niedrig niedrig --
WIG6 < 1 niedrig mittel mittel
Laserstrahlschweißen ohne Zusatzwerkstoff 1 – 2 mittel hoch hoch
MIG/MAG (energiearmes Schutzgasschweißen) 1 – 4 niedrig mittel mittel bis hoch
LBH, MIG (allgemein) 2 – 8 hoch hoch hoch
MAG (Massivdraht), Fülldrahtschweißen mit Schutzgas, Laserstrahlschweißen mit Zusatzwerkstoff 6 – 25 hoch hoch hoch
MAG (Fülldraht); Fülldraht-Schweißen ohne Schutzgas < 25 sehr hoch sehr hoch sehr hoch
Löten > 1 bis 4 niedrig mittel mittel
Autogenes Brennschneiden > 25 sehr hoch sehr hoch sehr hoch
Lichtbogenspritzen > 25 sehr hoch sehr hoch sehr hoch

3.1.5 Löten

Die chemische Zusammensetzung der Rauche beim Weich- und Hartlöten ist von den eingesetzten Flussmitteln und Loten abhängig. Die dabei entstehenden Partikel haben überwiegend Durchmesser zwischen 0,01 und 0,15 µm. Sie sind alveolengängig. Als gasförmige Gefahrstoffe sind insbesondere Aldehyde beim Weichlöten und Chlorwasserstoff beim Hartlöten zu berücksichtigen.

3.2 Gefährdungsbeurteilung

3.2.1 Allgemeine Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung

(1) Der Arbeitgeber hat nach § 7 GefStoffV und § 5 Arbeitsschutzgesetz vor Aufnahme der Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, in der die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen ermittelt und Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit festgelegt werden. Auch die mögliche Gefährdung Beschäftigter an Nachbararbeitsplätzen ist zu beachten.

(2) Die Gefährdung von Schweißern durch Gefahrstoffe ergibt sich aus der verfahrensspezifischen Gefährdungsklasse unter Berücksichtigung weiterer Einflussgrößen, die die Exposition der Beschäftigten am Arbeitsplatz bestimmen.

(3) Die nachfolgenden Abschnitte liefern Hinweise für Informationsermittlungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Sie behandeln die werkstoff-, verfahrens- und arbeitsplatzspezifischen Faktoren, durch die die Exposition am Arbeitsplatz wesentlich bestimmt wird. Sie sind bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.

(4) Einzelheiten zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung siehe TRGS 400.

(5) Bei schweißtechnischen Arbeiten, bei denen krebserzeugende Stoffe freigesetzt werden können, insbesondere beim Schweißen hochlegierter Werkstoffe, kann auch bei Anwendung der Maßnahmen dieser TRGS ein verbleibendes Krebsrisiko nicht völlig ausgeschlossen werden. Weitergehende Maßnahmen zur Minimierung der Exposition sind daher anzustreben.

3.2.2 Werkstoffspezifische Faktoren

Die bei schweißtechnischen Arbeiten entstehenden Schweißrauche und Gase bestehen aus Gefahrstoffen mit teilweise unterschiedlichen gesundheitsschädlichen Wirkungen. Entsprechend ihrer Wirkungen werden diese eingeteilt in:

3.2.3 Verfahrensspezifische Faktoren

(1) Die Bewertung von Verfahren hinsichtlich der Partikelemissionen erfolgt durch Zuordnung zu den Gefährdungsklassen niedrig, mittel, hoch und sehr hoch. Die Bewertung ist von verfahrens- und werkstoffspezifischen Faktoren, d.h. von der Höhe der Emissionsrate und von der Wirkung (siehe Nummer 3.2.2) abhängig. Informationen zur Bewertung von Schweißverfahren können z.B. auch dem jeweiligen Schweißrauchdatenblatt nach DIN EN ISO 15011-4 entnommen werden (siehe z.B. auch Anlage 5). Beispiele für die Bewertung von Schweißverfahren liefert Tabelle 1; die Tabelle ist nicht abschließend.

(2) Bei schweißtechnischen Arbeiten, bei denen neben Schweißrauchen (Partikeln) auch toxische und/oder krebserzeugende Gase entstehen, wie z. B.

  1. Ozon beim MIG-Schweißen von Aluminiumwerkstoffen; Ozon entsteht aus dem Luftsauerstoff durch das Einwirken von UV-Strahlung aus dem Lichtbogen,7
  2. Kohlenmonoxid beim MAGC-Schweißen von un- und niedriglegiertem Stahl,
  3. nitrose Gase (NO, NO2, NOX) bei autogenen Verfahren zum Fügen, Trennen und Beschichten,
  4. Aldehyde beim Weichlöten,
  5. Chlorwasserstoff beim Hartlöten sowie
  6. Gefahrstoffe insbesondere Isocyanate, Aldehyde und Epoxide aus gegebenenfalls vorhandenen Beschichtungen oder Verunreinigungen,

sind sowohl die Gefährdungen, die von Schweißrauchen, als auch diejenigen, die von gasförmigen Gefahrstoffen ausgehen, in der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen. Die Gefährdungen beim Brennschneiden durch Zersetzungsprodukte von Beschichtungen sind gesondert in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Dioxine beim Brennschneiden siehe TRGS 557 "Dioxine". (Informationen über Emissionen gasförmiger Gefahrstoffe bei verschiedenen Verfahren siehe auch Nummer 3.1.)

(3) Ungewollt aus Druckgasflaschen oder defekten Zuleitungen ausströmende Gase können den Luftsauerstoff in Arbeitsbereichen verdrängen, so dass Erstickungsgefahr besteht. Dies gilt insbesondere für Arbeiten in engen Räumen und unter Erdgleiche. Treten Brenngase oder Schutzgase mit hohem Wasserstoffanteil unkontrolliert aus, können sich explosionsfähige Gasgemische bilden. Tritt ungewollt Sauerstoff aus, besteht eine erhöhte Brandgefahr. Auch normalerweise schwer entflammbare Materialien können sich unter Sauerstoff entzünden.

3.2.4 Arbeitsplatzspezifische Faktoren

(1) Arbeitsplatzspezifische Faktoren, wie räumliche Verhältnisse, Lüftungssituation, Kopf- und Körperposition, Schweißdauer, beeinflussen zusätzlich die Gegebenheiten am Arbeitsplatz und damit auch die Höhe der Exposition.

(2) Bei schweißtechnischen Arbeiten in engen Räumen oder in Bereichen mit geringem Luftaustausch ist mit einer hohen Exposition zu rechnen.

(3) Sofern Schweißarbeiten in einer Zwangshaltung ausgeführt werden müssen, und die Schweißrauche unmittelbar in den Atembereich des Schweißers gelangen, ist von einer hohen Exposition auszugehen.

(4) Eine geringe Exposition kann vorliegen, wenn schweißtechnische Arbeiten nur kurzzeitig ausgeführt werden (weniger als eine halbe Stunde je Schicht und weniger als zwei Stunden pro Woche). Dies gilt nicht für Arbeiten in engen Räumen. Beispiele für solche Arbeiten können sein:

  1. Reparaturschweißarbeiten im Fahrzeugbau, auf Bauhöfen, in mechanischen Werkstätten,
  2. Heftarbeiten von Rohrhaltern sowie
  3. Hartlötarbeiten im Heizungsbau.

(5) Werden an Schweißarbeitsplätzen auch Nebenarbeiten wie mechanische Metallbearbeitungsvorgänge an stationären Anlagen oder mit handgeführten Geräten durchgeführt (Schleifen, Trennen, Putzen, Polieren etc.), entstehen aus den zu bearbeitenden Werkstücken sowie den eingesetzten Schleifmitteln durch mechanischen Abtrag zusätzliche Partikelemissionen.

(6) In Abhängigkeit von der Art und dem Umfang der mechanischen Bearbeitungsschritte (z.B. Schleifen) ist zu prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich werden bzw. ob die an den Schweißarbeitsplätzen bereits getroffenen Schutzmaßnahmen auch für diese Emissionen geeignet sind (Hinweis: Schweißrauchabsauganlagen sind in der Regel nicht zum Absaugen brennbarer Stäube, z. B. Aluminiumstaub, geeignet). Sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, sind diese im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen.

(7) Beim Anschleifen von Elektroden ist mit der Freisetzung von gesundheitsgefährlichen Stäuben zu rechnen, so dass eine Absaugung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für das Schleifen Thorium-haltiger Elektroden, siehe auch Nummer 4.2 Abs. 6.

(8) Beim Schweißen von verzinkten Materialien ist unter Beachtung der arbeitsplatzspezifischen Faktoren die Freisetzung von Zinkoxidrauch in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.

3.2.5 Gesamtbeurteilung der Gefährdung

(1) Der Arbeitgeber hat anhand Tabelle 1 die Gefährdungsklasse, die sich aus den verwendeten Verfahren und Werkstoffen ergibt, festzustellen. Maßgeblich für das jeweilige Verfahren ist dabei die höchste Gefährdungsklasse, die sich für die drei aufgeführten Stoffgruppen ergibt. Außerdem hat er die bei den eingesetzten Verfahren freigesetzten gasförmigen Gefahrstoffe gemäß Nummer 3.1 und Nummer 3.2.3 Abs. 2 zu berücksichtigen.

(2) Zusätzlich hat der Arbeitgeber die arbeitsplatzspezifischen Bedingungen wie Schweißdauer und räumliche Verhältnisse zu ermitteln. Danach beurteilt er unter Berücksichtigung aller Einflussgrößen die resultierende Gefährdung der Tätigkeit. Anschließend werden die Schutzmaßnahmen entsprechend der Gefahrstoffverordnung und Nummer 4 dieser TRGS festgelegt. Die angegebenen Schutzmaßnahmen sind in der Regel auch geeignet, die Exposition gegenüber ultrafeinen Partikeln zu minimieren.

(3) Ferner hat der Arbeitgeber die aus den arbeitmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere aus dem Biomonitoring, bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Dabei sind die Erkenntnisse vom Arbeitsmediziner so zu übermitteln, dass die schützenswerten Interessen der untersuchten Beschäftigten gewahrt bleiben. Das Recht auf die Einsicht in individuelle Untersuchungsergebnisse kann der Arbeitgeber aus diesen Vorgaben nicht ableiten.

(4) Bei Verfahren, die zu einer hohen Gefährdung führen, insbesondere beim Umgang mit krebserzeugenden Materialien bzw. solchen Materialien, die eine Freisetzung erwarten lassen, ist arbeitsmedizinischer Sachverstand bei der Gefährdungsbeurteilung einzubinden. Dies gilt auch für die Beurteilung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, wenn für den Schweißarbeitsplatz typische Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten aufgetreten sind.

(5) Bei Verfahren mit mittleren, hohen und sehr hohen Gefährdungsklassen sind aufgrund der Partikelemissionen nach dem Stand der Technik lüftungstechnische Maßnahmen zu treffen, siehe Nummer 4.3 bis 4.5. Darüber hinaus können zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Schweißers erforderlich sein, z.B. das Tragen von persönlichem Atemschutz.

(6) Bei Verfahren mit niedriger Gefährdungsklasse ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind. Entsprechendes gilt für Arbeiten mit geringer Exposition.


2 Atemweg- und lungenbelastend bedeutet hier, dass Wirkungen im Sinne einer chronischen Entzündung (chronische Bronchitis) durch Überladung mit Partikeln auftreten können.

3 Erfahrungswerte, die im Einzelfall durch Optimierung der Prozessparameter noch reduziert werden können.

4 Die Gefährdungsklasse des Verfahrens darf nicht mit den Schutzstufen der GefStoffV verwechselt werden; hierzu siehe TRGS 400.

5 Automatisiertes Verfahren

6 Nach Expositionsbeschreibung in BGI 790-12

7 Auf die Schädigung der Haut durch UV-Strahlung (Schweißerhautbrand) wird ebenfalls hingewiesen; sie kann durch das Tragen kompletter Schweißerschutzkleidung vermieden werden.