4 Schutzmaßnahmen

4.1 Grundsatz

(1) Kann bei Schweißarbeiten eine Exposition von Beschäftigten gegenüber Gefahrstoffen nicht vermieden werden, sind zur Beseitigung oder zur Minimierung der dadurch bedingten Gefährdung geeignete Schutzmaßnahmen erforderlich. Entsprechend der Gefahrstoffverordnung sind in Abhängigkeit von den betriebsspezifischen Gegebenheiten folgende Maßnahmen in der aufgeführten Rangordnung zu berücksichtigen:

  1. Auswahl von Gefahrstoffarmen Verfahren und Zusatzwerkstoffen (Prüfung der Substitution Nummer 4.2),
  2. Lüftungstechnische Maßnahmen (Nummer 4.3 bis 4.5),
  3. Organisatorische und hygienische Maßnahmen (Nummer 4.6) und
  4. Persönliche Schutzmaßnahmen (Nummer 4.7).

(2) Grundsätzlich sind die in der TRGS 500 "Schutzmaßnahmen" angegebenen Maßnahmen zu veranlassen. Darüber hinaus sind die im Folgenden in dieser TRGS angegebenen Maßnahmen zu treffen. Die festgelegten Maßnahmen sind in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren.

(3) Wenn Tätigkeiten mit Gefahrstoffen von einem Beschäftigten alleine ausgeführt werden, hat der Arbeitgeber zusätzliche Schutzmaßnahmen festzulegen oder eine angemessene Aufsicht zu gewährleisten, siehe auch TRGS 500.

4.2 Auswahl von gefahrstoffarmen Verfahren und Zusatzwerkstoffen

(1) Der Arbeitgeber hat unter Beachtung des Standes der Technik Schweiß-, Schneid- und verwandte Verfahren anzuwenden und Zusatzwerkstoffe einzusetzen, bei denen die Freisetzung von Gefahrstoffen möglichst gering ist. Stehen einem entsprechenden Verfahren produktspezifische Anforderungen entgegen, können andere Verfahren angewendet werden. Zur Durchführung und Dokumentation der Substitutionsprüfung siehe TRGS 600 "Substitution".

(2) Verfahren, bei denen die Freisetzung von Gefahrstoffen gering ist, sind z.B.:

  1. Unterpulverschweißen (UP-Schweißen),
  2. Wolfram-Inertgasschweißen (WIG-Schweißen) mit thoriumoxidfreien Wolframelektroden,
  3. Energiearmes Schutzgasschweißen,
  4. Impuls-Lichtbogentechnik,
  5. Plasmaschneiden mit Wasserbadabdeckung.

(3) Die Anwendung der Impuls-Lichtbogentechnik beim MIG/MAG-Schweißen ist – soweit technisch möglich – vorrangig einzusetzen. Durch die Anwendung dieser Technik sind die Schweißrauchemissionsraten erheblich geringer als beim konventionellen MIG/MAG-Schweißen.

(4) Beim Schutzgasschweißen mit hochlegiertem Schweißdraht ist die Freisetzung von krebserzeugenden Chrom(VI)-Verbindungen im Rauch wesentlich geringer als beim Lichtbogenhandschweißen mit umhüllten hochlegierten Stabelektroden oder mit hochlegierten Fülldrähten.

(5) Werden hingegen Nickelbasiswerkstoffe oder Reinnickel als Schweißzusatz verwendet, ist die Freisetzung von krebserzeugendem Nickeloxid im Schweißrauch beim Lichtbogenhandschweißen geringer als beim MIG/MAG-Schweißen.

(6) Die technologische Notwendigkeit des Einsatzes thoriumoxidhaltiger Wolframelektroden beim WIG-Schweißen ist in der Gefährdungsbeurteilung zu begründen und zu dokumentieren, siehe auch Strahlenschutzverordnung. Auf die erforderlichen Maßnahmen nach Strahlenschutzrecht wird hingewiesen.

(7) Die Aufzählungen der Absätze 1 – 6 sind nicht abschließend. Im Einzelfall können weitere gefahrstoffarme Verfahren angewendet werden.

4.3 Lüftungstechnische Maßnahmen

(1) Lüftungstechnische Maßnahmen sind geeignet, wenn sie die Gefährdung der Beschäftigten durch Gefahrstoffe auf ein Minimum verringern. Dies hat vorrangig durch Absaugung der Gefahrstoffe im Entstehungsbereich zu erfolgen.

(2) Als weitere oder zusätzliche lüftungstechnische Maßnahme kann eine technische Raumlüftung, die in der Regel gemäß Arbeitsstättenverordnung erforderlich ist, die Exposition minimieren. In Räumen bzw. in Teilbereichen von Räumen, in denen schweißtechnische Arbeiten ausgeführt werden, sollte die Zu- und Abluft raumlufttechnischer Anlagen so geführt werden, dass sie die beim Schweißen entstehende Thermikströmung unterstützt. Hierfür haben sich die Schichtenströmung bzw. Quelllüftung als besonders geeignet erwiesen. Hinweise zur Auslegung raumlufttechnischer Anlagen siehe VDI/DVS 6005, VDI 2262 und VDI 3802.

(3) In Einzelfällen kann sich aufgrund der Gefährdungsbeurteilung ergeben, dass die natürliche Lüftung ausreichend ist. Beispiele sind das UP-Schweißen und das WIG-Schweißen von un- und niedriglegierten Stählen.

4.4 Absaugung im Entstehungsbereich

(1) In Abhängigkeit vom Schweißverfahren, der Art des Arbeitsplatzes (mobil/ortsveränderlich oder stationär/ortsgebunden) und der Größe der zu bearbeitenden Werkstücke sind nachfolgend aufgeführte lüftungstechnische Maßnahmen zur Erfassung von Gefahrstoffen im Entstehungsbereich geeignet:

  1. Absaugung brennerintegriert oder direkt am Brenner angebaut,
  2. Schweißerschutzschilde und -schirme mit integrierter Absaugung,
  3. Stationäre oder mobile Absauganlagen mit festen oder nachführbaren Erfassungselementen (geeignet für stationäre und mobile Arbeitsplätze) sowie
  4. Beispiele können der BGI 593, dem LV 42, der VDI/DVS 6005 und der VDI 2262, Blatt 4 entnommen werden.

(2) Je näher an der Entstehungsstelle abgesaugt wird, desto effektiver ist die Erfassung der Gefahrstoffe. Hierbei ist zu beachten, dass die geforderte Schweißnahtgüte erreicht wird.

4.5 Luftrückführung

(1) Abgesaugte Luft darf nur in den Arbeitsbereich zurückgeführt werden, wenn sie ausreichend gereinigt ist. Lufttechnische Anlagen mit Rückführung dürfen eingesetzt werden, wenn sie bauartgeprüft sind oder wenn durch Einzelmessungen die erforderliche Wirksamkeit überprüft wurde. Hinweise zum Frischluftanteil raumlufttechnischer Anlagen mit Luftrückführung enthält die BGR 121 "Arbeitsplatzlüftung – Lufttechnische Maßnahmen".

(2) An Arbeitsplätzen, an denen Schweißarbeiten oder verwandte Verfahren mit Emission von krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Stoffen der Kategorie 1 oder 2 durchgeführt werden (insbesondere bei Verwendung von chrom- und nickelhaltigen Werkstoffen) darf dort abgesaugte Luft nicht zurückgeführt werden. Das gilt nicht, wenn bauartgeprüfte Schweißrauchabsauggeräte der Schweißrauchabscheideklasse W2 oder W3 verwendet werden. Hinweise zu den Schweißrauchabscheideklassen siehe DIN EN ISO15012-1 "Arbeits- und Gesundheitsschutz beim Schweißen und verwandten Prozessen - Anforderungen, Prüfung und Kennzeichnung von Luftreinigungssystemen - Teil 1 Bestimmen des Abscheidegrades für Schweißrauch" (Ausgabe März 2005).

4.6 Organisatorische Maßnahmen

(1) Die Zusammensetzung und die Menge der emittierten Gefahrstoffe werden u. a. von den gewählten Schweißparametern beeinflusst (z.B. Schweißstrom, Schweißspannung, Schutzgasart und -zusammensetzung). Zur Minimierung der Gefahrstoffemissionen sind die von den Herstellern der Elektroden bzw. Gase empfohlenen Schweißparameter einzuhalten. Vor Beginn der Schweißarbeiten ist darauf zu achten, dass Rückstände auf Oberflächen, z.B. von Kaltreinigern, entfernt werden.

(2) Der Arbeitgeber hat Arbeitsgeräte, Maschinen und lüftungstechnische Einrichtungen in technisch einwandfreiem und gewartetem Zustand bereit zu halten. Die Beschäftigten haben diese bestimmungsgemäß zu verwenden.

(3) Bei Arbeitsunterbrechungen und vor Arbeitsende sind die Ventile an Druckgasflaschen und Gasentnahmestellen zu schließen (nicht nur Ventile der Druckminderer schließen!).

(4) Der Arbeitgeber hat darauf zu achten, dass nur Einrichtungen zum Erfassen und Abscheiden von Gefahrstoffen eingesetzt werden, die dem Stand der Technik entsprechen. Bei der erstmaligen Inbetriebnahme dieser Einrichtungen ist der Nachweis einer ausreichenden Wirksamkeit zu erbringen. Die Einrichtungen sind zu warten und gegebenenfalls in Stand zu setzen.

(5) Die Einrichtungen sind mindestens jährlich durch eine befähigte Person auf ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen. Die Prüfungen sind zu dokumentieren. Siehe TRBS 1203 "Befähigte Personen - Allgemeine Anforderungen" und BGR 121 "Arbeitsplatzlüftung – Lufttechnische Maßnahmen".

(6) Die Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind, ist zu minimieren.

(7) Die Arbeitspositionen der Beschäftigten sind möglichst so zu wählen, dass die Gefahrstoffeinwirkung minimiert wird.

(8) Ist eine ungünstige Arbeitsposition nicht vermeidbar, sollte besonders auf die gesichtsnahe Platzierung des Schutzschildes geachtet werden. In einigen Fällen können die Werkstücke mit Hilfe von Dreh- und Kippvorrichtungen in günstigere Positionen gebracht werden.

(9) Beschäftigte, die in ihrem Arbeitsbereich Gefahrstoffen ausgesetzt sind, dürfen dort keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen (Ess-, Trink- und Rauchverbot am Arbeitsplatz). Hierzu sind entsprechende Pausenräume einzurichten, die von den Beschäftigten aufzusuchen sind. Rauchen kann die gesundheitsschädlichen Folgen von Gefahrstoffeinwirkungen am Arbeitsplatz deutlich erhöhen. Auf weitere Hygieneanforderungen gemäß § 9 Abs. 3 GefStoffV und TRGS 500 wird hingewiesen.

(10) Für das Reinigen des Arbeitsbereichs sind Methoden anzuwenden, die eine Staubaufwirbelung vermeiden. Dies sollte z.B. mit Nasskehrmaschinen oder mit geeigneten und geprüften Industriestaubsaugern erfolgen. Trockenes Kehren oder Abblasen von Staubablagerungen mit Druckluft sind grundsätzlich nicht zulässig. Das Verbot zum Einsatz von Druckluft bezieht sich auch auf die Reinigung von Arbeitskleidung.

4.7 Persönliche Schutzmaßnahmen (Atemschutz)

(1) Soweit die in den Nummern 4.1 bis 4.6 aufgeführten Schutzmaßnahmen nicht ausreichend sind oder deren Umsetzung technisch nicht möglich ist, müssen vom Arbeitgeber zum Schutz der Beschäftigten geeignete Atemschutzgeräte bereitgestellt werden. Diese sind von den Beschäftigten zu benutzen.

(2) Schutzmaßnahmen sind nicht ausreichend, wenn Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) nicht eingehalten sind oder die Konzentration an A-Staub in der Luft am Arbeitsplatz größer drei mg/m3 ist.

(3) Werden durch die schweißtechnischen Arbeiten krebserzeugende Gefahrstoffe freigesetzt, insbesondere beim Schweißen von hochlegierten Stählen, ist Atemschutz nach Nummer 4.7 Abs. 4 bereitzustellen. Dies gilt nicht für emissionsarme Verfahren wie UP- oder WIG-Schweißverfahren.

(4) Als persönliche Schutzmaßnahmen können z. B. folgende Atemschutzgeräte eingesetzt werden:

  1. belüftete Helme/Hauben mit Gebläse und Partikelfilter TH2P oder TH3P,
  2. Masken mit Gebläse und Partikelfilter TM1P, TM2P, TM3P,
  3. Vollmasken oder Mundstückgarnituren mit P2- oder P3-Filtern,
  4. Halb-/Viertelmasken mit P2- oder P3-Filtern, partikelfiltrierende Halbmasken FFP2 oder FFP3 oder
  5. Isoliergeräte.

(5) Für das Tragen von Atemschutz gelten die Festlegungen der BGR 190 "Benutzung von Atemschutzgeräten".

(6) Bei Verwendung von nicht belastendem Atemschutz (z. B. belüftete Helme bzw. Hauben) entfallen die in der BGR 190 festgelegten Tragezeitbegrenzungen. Nur bei zusätzlichen Beanspruchungen des Gerätträgers durch Arbeitsschwere und Umgebungsklima ist bei der Berechnung der Tragedauer von 220 Minuten als Basiswert auszugehen.

(7) Entstehen beim Schweißen auch gasförmige Gefahrstoffe, sind bei der Verwendung von filtrierendem Atemschutz Kombinationsfilter zu verwenden.

(8) Werden Filtergeräte mit Gebläse bei Arbeiten mit offener Flamme oder bei Tätigkeiten eingesetzt, bei denen es zu Schweißspritzerbildung bzw. Funkenflug kommen kann, besteht die Gefahr, dass die Atemschutzfilter – in der Regel zunächst unbemerkt – in Brand geraten. Im Filter können dann tödlich wirkende Rauchgase (insbesondere CO und CO2) entstehen. Für derartige Arbeiten sind daher nur Filtergeräte zu verwenden, bei denen durch konstruktive Maßnahmen (z. B. engmaschige Metallsiebe vor den Ansaugöffnungen oder "Funkenfallen") ein Eindringen von Schweißspritzern und Funken in das Filter verhindert wird; alternativ können Isoliergeräte eingesetzt werden.

(9) Für schweißtechnische Arbeiten in engen Räumen, z.B. im Schiffbau, in Kastenträgern oder in Doppelböden, wird eine Vorgehensweise für die Auswahl von Atemschutzgeräten beschrieben:

  1. Wenn möglich ist im Arbeitsbereich eine Zu- und Abluftführung, wie unter Nummer 4.3 Abs. 2 beschrieben, einzurichten.
  2. Ist dies aus räumlichen Gründen nicht möglich oder nicht ausreichend, sind vorzugsweise belüftete Hauben oder Helme zu tragen.
  3. Wenn aus räumlichen Gründen belüftete Hauben und Helme nicht anwendbar sind, sind beim Schweißen von niedriglegierten Stählen mindestens FFP2-Masken mit Ausatemventil, beim Schweißen von hochlegierten Stählen FFP3-Masken mit Ausatemventil zu tragen.
  4. Ist mit dem Auftreten nitroser Gase zu rechnen, z.B. beim Flammrichten, ist geeigneter Atemschutz einzusetzen, siehe BGR 190.
  5. Besteht die Gefahr von Sauerstoffmangel, ist umgebungsluftunabhängiger Atemschutz einzusetzen (Isoliergeräte).