2 Besondere Stoffgruppen

2.1 Krebserzeugende Arzneistoffe

Von krebserzeugenden Eigenschaften der Kategorien 1A und 1B ist bei therapeutischen Substanzen auszugehen, denen ein gentoxischer Wirkungsmechanismus zugrunde liegt. Erfahrungen in der Therapie mit alkylierenden Zytostatika wie Cyclophosphamid, Ethylenimin, Chlornaphazin sowie mit arsen- und teerhaltigen Salben, die über lange Zeit angewendet worden sind, bestätigen dies insofern, als bei so behandelten Patienten später Tumorneubildungen beschrieben worden sind.

2.2 Passivrauchen am Arbeitsplatz

Passivrauchen wurde nach den Kriterien der GefStoffV in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Richtlinien der EG bewertet, die Begründung ist als Bekanntmachung des AGS zugänglich unter www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/Begruendungen-905-906.html. Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz werden durch das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung geregelt.

2.3 Anorganische Faserstäube (außer Asbest)

(1) Dieser Abschnitt gilt für anorganische Fasern (ausgenommen Asbest) mit einer Länge > 5 μm, einem Durchmesser < 3 μm und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von > 3:1 (WHO-Fasern).

(2) Die Bewertung der WHO-Fasern erfolgt nach den Kategorien für krebserzeugende Stoffe in Anhang I der CLP-Verordnung und für glasige Fasern zusätzlich auf der Grundlage des Kanzerogenitätsindexes KI¹, der sich für die jeweils zu bewertenden WHO-Fasern aus der Differenz zwischen der Summe der Massengehalte (in v. H.) der Oxide von Natrium, Kalium, Bor, Calcium, Magnesium, Barium und dem doppelten Massengehalt (in v.H.) von Aluminiumoxid ergibt.

KI= Σ Na,K,B,Ca,Mg,Ba-Oxide - 2 x Al-Oxid
  1. Glasige WHO-Fasern mit einem Kanzerogenitätsindex KI ≤ 30 werden in die Kategorie 1B eingestuft.
  2. Glasige WHO-Fasern mit einem Kanzerogenitätsindex KI > 30 und < 40 werden in die Kategorie 2 eingestuft.
  3. Für glasige WHO-Fasern erfolgt keine Einstufung als krebserzeugend, wenn deren Kanzerogenitätsindex KI ≥ 40 beträgt.

(3) Die Einstufung von WHO-Fasern kann durch einen Kanzerogenitätsversuch mit intraperitonealer Applikation, vorzugsweise mit Faserstäuben in einer arbeitsplatztypischen Größenverteilung, vorgenommen werden.

  1. Wird für WHO-Fasern in einem Kanzerogenitätsversuch nach Satz 1 mit einer Dosis von 1 x 109 WHO-Fasern eine krebserzeugende Wirkung beobachtet, erfolgt eine Einstufung in Kategorie 1B. Dagegen erfolgt eine Einstufung in Kategorie 2, wenn in diesem Kanzerogenitätsversuch keine krebserzeugende Wirkung beobachtet wurde.
  2. In letzterem Fall empfiehlt es sich, zusätzlich einen Kanzerogenitätsversuch nach Satz 1 mit einer Dosis von 5 x 109 WHO-Fasern durchzuführen. Wird bei dieser Dosis eine krebserzeugende Wirkung der Faserstäube nachgewiesen, wird die Einstufung in Kategorie 2 beibehalten. Dagegen erfolgt keine Einstufung der WHO-Fasern, wenn in diesem Kanzerogenitätsversuch keine krebserzeugende Wirkung beobachtet wurde.

(4) Die Einstufung von WHO-Fasern kann auch durch Bestimmung der in vivo-Biobeständigkeit erfolgen. Danach erfolgt eine Einstufung in die Kategorie 2 der krebserzeugenden Stoffe, wenn für WHO-Fasern nach intratrachealer Instillation von 4 x 0,5 mg Fasern in einer Suspension eine Halbwertzeit von mehr als 40 Tagen ermittelt wurde. Die WHO-Fraktion der instillierten Faserprobe sollte einen mittleren geometrischen Durchmesser von 0,6 μm oder mehr aufweisen. Faserproben mit kleinerem Durchmesser können geprüft werden, falls dies mit dem geringeren Durchmesser des Ausgangsmaterials begründet werden kann. Die Halbwertzeit sollte mit der nichtlinearen exponentiellen Regression gemäß ECB/TM27 rev. 7 berechnet werden. Falls nach den dort genannten Kriterien eine biphasige Eliminationskinetik zur Beschreibung der Retentionsdaten erforderlich ist, ist die Halbwertzeit der langsamen Eliminationsphase zur Bewertung heranzuziehen. Kriterien für die Einstufung in die Kategorie 1B liegen nicht vor.

(5) WHO-Fasern aus Erionit sind in die Kategorie 1A einzustufen.

(6) Folgende Typen von WHO-Fasern, für die positive Befunde aus Tierversuchen (inhalativ, intratracheal, intrapleural, intraperitoneal) vorliegen, werden derzeit in die Kategorie 1B eingestuft:

  1. Attapulgit,
  2. Dawsonit,
  3. künstlich hergestellte anorganische einkristalline Fasern (Whisker) aus:
    a) Aluminiumoxid,
    b) Siliziumkarbid,
    c) Kaliumtitanaten.

(7) Alle anderen anorganischen Typen von WHO-Fasern werden in die Kategorie 2 eingestuft, wenn die vorliegenden tierexperimentellen Ergebnisse (einschließlich Daten zur Biobeständigkeit) für eine Einstufung in die Kategorie 1B nicht ausreichen. Dies betrifft derzeit folgende:

  1. Halloysit,
  2. Magnesiumoxidsulfat,
  3. Nemalith,
  4. Sepiolith,
  5. anorganische Faserstäube, soweit nicht erwähnt (ausgenommen Gipsfasern und Wollastonitfasern).

(8) Folgende Typen von WHO-Fasern sind derzeit nicht einzustufen:

  1. Gipsfasern,
  2. Wollastonitfasern.

¹ Die Nutzung des Kanzerogenitätsindexes KI zur Einstufung von WHO-Fasern als krebserzeugend kann dazu führen, dass WHO-Fasern mit einem KI kleiner 40 als krebserzeugend eingestuft werden, obwohl ein Kanzerogenitätsversuch nach Absatz 3 oder die Bestimmung der in-vivo-Biobeständigkeit nach Absatz 4 nicht zu einer Einstufung als krebserzeugend führen. Das bedeutet, dass WHO-Fasern, für die lediglich ein KI Index unter 40 vorliegt, vorsorglich als krebserzeugend einzustufen sind, obwohl weitere Prüfungen diese Einstufung widerlegen könnten. Der KI ist jedoch ein preiswerter Test, mit dem alte Wollen, die vor 1996 eingebaut wurden, im Zweifelsfalle auf Kanzerogenität untersucht werden können. Alte Wollen mit WHO-Fasern, die einen KI größer 40 aufweisen, können aufgrund des KI-Indexes als nicht krebserzeugend eingestuft werden. Für die Beurteilung alter Mineralwolle und die Festlegung von Schutzmaßnahmen im Rahmen von Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten ist die TRGS 521 heranzuziehen.