7 Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln

Die für Einrichtungen der medizinischen Versorgung spezifischen Desinfektionsmittel werden eingesetzt, z. B. bei der

  1. Händedesinfektion,
  2. Haut-/Schleimhautantiseptik,
  3. Flächendesinfektion,
  4. Instrumentendesinfektion,
  5. Wäschedesinfektion.

7.1 Grundsätze bei Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln

7.1.1 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

(1) Der Arbeitgeber hat alle Arbeitsbereiche und Arbeitsverfahren zu erfassen, bei denen Beschäftigte Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln durchführen. Im Gefahrstoffverzeichnis sind alle Desinfektionsmittel aufzuführen. Der Desinfektionsmitteleinsatzplan kann das Gefahrstoffverzeichnis ergänzen. Es muss auf die ggf. erforderliche Kennzeichnung von Biozid-Produkten gemäß ChemBiozidMeldeV mit der Registriernummer hingewiesen werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Einsatz von Desinfektionsmitteln ist zu prüfen, ob eine Desinfektion fachlich geboten und zu begründen ist. Die Entscheidung darüber erfordert eine interdisziplinäre Abstimmung zwischen den verantwortlichen Hygiene- und Arbeitsschutzexperten. Die Auswahl der Mittel richtet sich nach dem Anwendungsbereich, dem Spektrum der zu erwartenden Infektionserreger, der Art und Beschaffenheit der Oberflächen einschließlich der Milieubedingungen unter Einbeziehung des Arbeitsschutzes nach dem Stand der Technik. Umweltschutzaspekte sind bei der Auswahl zu berücksichtigen.

(3) Vor dem Einsatz von Desinfektionsmitteln und -verfahren hat der Arbeitgeber die Gefährdungen zu ermitteln, zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Minimierung der Gefahrstoffexposition festzulegen.

7.1.2 Ersatzstoffprüfung und Prüfung alternativer Verfahren

(1) Es ist zu prüfen, ob der Einsatz von Desinfektionsmitteln durch andere (z. B. thermische) Verfahren ganz oder teilweise ersetzt werden kann, z. B. bei der Instrumentendesinfektion.

(2) Im Rahmen der chemischen Desinfektion ist zu prüfen, ob Gefährdungen durch Verfahrensänderung (z. B. Einsatz maschineller Verfahren in der Instrumentendesinfektion, Verzicht auf Ausbringungsverfahren mit Aerosolbildung bei der Flächendesinfektion) verringert werden können.

(3) Für eine Ersatzstoffprüfung sind die für wirksam befundenen Mittel (z. B. nach VAH-Liste [57], RKI-Liste [59], DVG-Liste [58], IHO-Liste [69]) hinsichtlich ihrer Gefährdungen nach GefStoffV zu beurteilen. Bei gleicher Wirksamkeit sind die Mittel mit dem geringsten Gefährdungspotenzial auszuwählen.

(4) Das Ergebnis der Prüfung von Ersatzstoffen und -verfahren ist zu dokumentieren und auf Anforderung der zuständigen Behörde zur Verfügung zu stellen.

7.2 Schutzmaßnahmen

7.2.1 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Desinfektionsmittelkonzentraten

(1) Zur Verdünnung von Desinfektionsmittelkonzentraten sind die Herstellervorgaben einzuhalten. Bei der Verdünnung mit Wasser ist zu berücksichtigen, dass es u. U. zur ungewollten Freisetzung von Wirkstoffen in die Atemluft kommen kann (z. B. bei zu hoher Wassertemperatur).

(2) Zur Herstellung der Gebrauchslösungen sind möglichst automatische Dosiergeräte zu verwenden. Bei Handdosierung sind technische Dosierhilfen (z. B. Dosierpumpen, Dosierbeutel, Messbecher) zu verwenden. Die für den vorgesehenen Anwendungsfall erforderliche Anwendungskonzentration ist strikt einzuhalten. Diese sollte im Desinfektionsmitteleinsatzplan immer angegeben und in der arbeitsplatzbezogenen Betriebsanweisung enthalten sein.

(3) Ein Mischen verschiedener Produkte ist nur nach Herstellerangaben zulässig.

(4) Bei der Herstellung der Gebrauchslösungen ist der Hautkontakt/Schleimhautkontakt unbedingt zu vermeiden. Bei diesen Tätigkeiten sind geeignete Schutzhandschuhe nach DIN EN 374-3 (z. B. aus Nitrilkautschuk), Schutzbrille und ggf. Schürze oder Kittel zu tragen. Nicht nach DIN EN 374-3 geprüfte medizinische Einmalhandschuhe sind nicht geeignet. Zur Auswahl der Schutzhandschuhe siehe nähere Informationen in "Literatur" [31].

7.2.2 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gebrauchslösungen

(1) Bei Tätigkeiten mit Gebrauchslösungen ist der direkte Kontakt mit der Haut, Schleimhaut und das Einatmen der Dämpfe zu vermeiden. Gefäße mit Gebrauchslösungen sind nach dem Herstellen und jeder Entnahme zu verschließen.

(2) Bei der Scheuer- und Wischdesinfektion von Oberflächen ist darauf zu achten, dass keine Pfützen oder Flüssigkeitsflecken verbleiben, aus denen Wirkstoffe (insbesondere Aldehyde) über längere Zeit an die Raumluft abgegeben werden. Zur Vermeidung einer Grenzwertüberschreitung ist für eine ausreichende Raumbelüftung bei und direkt nach der Desinfektionsmaßnahme zu sorgen.

(3) Eine Sprühdesinfektion ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig, z. B. beim Ausbringen von Schäumen oder wenn die zu desinfizierende Oberfläche bei der Wischdesinfektion vom Desinfektionsmittel anders nicht erreicht werden kann, z. B. offenporige oder stark strukturierte Oberflächen.

(4) Bei der medizinischen Versorgung von Nutztieren (z. B. Wiederkäuer, Pferd, Schwein), in der Tierpathologie als auch bei der Versorgung von Kleintieren kann es erforderlich sein, Desinfektionsmittel als Aerosol oder in Schaumform auszubringen. Dies ist auf Grund der Größe der Tiere, der Beschaffenheit der Tierhaut aber auch auf Grund der schweren Zugänglichkeit der mit dem Desinfektionsmittel zu benetzenden Flächen begründbar. Da bei dieser Tätigkeit Expositionen nicht zu vermeiden sind, ist die bereitgestellte persönliche Schutzausrüstung (z. B. Stiefel, Schutzhandschuhe, Schürze, Augen- und Atemschutz) entsprechend der Gefährdungsbeurteilung zu benutzen. Die Eignung der Schutzhandschuhe ist abhängig von den Vorgaben des Sicherheitsdatenblatts für das verwendete Desinfektionsmittel und der von der Tierspezies abhängigen erforderlichen mechanischen Festigkeit.

(5) Desinfektionsmittel, deren primär wirksame Bestandteile Alkohole sind, dürfen zur Flächendesinfektion nur verwendet werden, wenn eine schnell wirkende Desinfektion notwendig ist. Hierbei ist Folgendes zu beachten:

  1. Die ausgebrachte Gesamtmenge pro Raum darf aus Gründen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes sowie des Explosionsschutzes nicht mehr als 50 ml je m² Raumgrundfläche betragen.
  2. Aerosolbildung muss so weit wie möglich vermieden werden. Heiße Flächen müssen vor der Desinfektion abgekühlt sein.
  3. Mit der Desinfektion darf erst begonnen werden, wenn keine anderen brennbaren Gase oder Dämpfe in der Raumluft vorhanden sind (z. B. Anwendung von Wundbenzin, Instrumentendesinfektion mit Alkoholen).

(6) Wegen der Brand- und Explosionsgefahr können zusätzlich Schutzmaßnahmen erforderlich sein. Besonders vor dem Einsatz elektrischer Geräte, z. B. Elektrokauter, ist das Abtrocknen des alkoholischen Desinfektionsmittels auf Haut und Flächen abzuwarten. Es ist sicherzustellen, dass keine Pfützen oder Flüssigkeitsflecken verbleiben. Der Einsatz alkoholischer Desinfektionsmittel ist im Wirkbereich von offenen Flammen oder anderen Zündquellen nicht zulässig.

7.3 Arbeitsanweisung/Betriebsanweisung

Der Arbeitgeber hat eine schriftliche Betriebsanweisung gemäß TRGS 555 zu erstellen. Es ist sinnvoll, die arbeitsbereichs- und stoffgruppen- oder stoffbezogene Betriebsanweisung mit den Vorgaben aus dem Hygiene- und Desinfektionsmitteleinsatzplan sowie dem Hautschutzplan in einer Arbeitsanweisung zusammenzufassen.