5 Ermitteln von Gefährdungen

(1) Der Arbeitgeber hat im ersten Schritt zu ermitteln, ob Beschäftigte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen oder ob Tätigkeiten durchgeführt werden, bei denen Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Die Kriterien, wann ein Arbeitsstoff ein Gefahrstoff ist, beschreibt Nummer 5.2.

(2) Neben den Stoffeigenschaften hat der Arbeitgeber die Tätigkeiten, Arbeitsabläufe, Verfahren, Arbeits-, Betriebs- und Umgebungsbedingungen zu ermitteln und zu berücksichtigen. Hierzu müssen Informationen beschafft werden über:

  1. die verwendeten Arbeitsstoffe und Mengen,
  2. die Tätigkeiten, die daraus resultierenden Expositionen und die Aufnahmewege,
  3. die Möglichkeiten einer Substitution,
  4. mögliche und vorhandene Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeit.

(3) Liegen Erkenntnisse aus der betrieblichen arbeitsmedizinischen Vorsorge nach der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge vor, hat der Arbeitgeber diese bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.

5.1 Informationsquellen

(1) Die wichtigste Informationsquelle für die Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Stoffen oder Gemischen sind Sicherheitsdatenblätter. Für die Gefährdungsbeurteilung ist eine aktuelle Fassung des jeweiligen Sicherheitsdatenblattes zu verwenden.

(2) Das Sicherheitsdatenblatt ist auf offensichtlich unvollständige, widersprüchliche oder fehlerhafte Angaben zu überprüfen. Erforderlichenfalls muss beim Lieferanten ein korrektes Sicherheitsdatenblatt angefordert und von diesem geliefert werden.

(3) Erhält der Arbeitgeber die erforderlichen Informationen nicht, muss er sich diese Informationen selbst beschaffen oder die Gefährdungen, zu denen keine Informationen vorhanden sind, als vorhanden unterstellen und die entsprechenden Maßnahmen festlegen (siehe Nummer 5.2 Absätze 7 und 8). Alternativ wird empfohlen, nur Stoffe bzw. Gemische zu verwenden, für die der Lieferant die erforderlichen Informationen bereitstellt.

(4) Sofern für Stoffe Expositionsszenarien im Anhang des Sicherheitsdatenblattes vorhanden sind, sind diese als Informationsquelle für die Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Weitere Hinweise zur Verwendung von Expositionsszenarien enthält die BekGS 409 „Nutzung von REACH-Informationen für den Arbeitsschutz“.

(5) Bei nicht als gefährlich gekennzeichneten Gemischen, die mit dem „EUH210 – Sicherheitsdatenblatt auf Anfrage erhältlich“ versehen sind, ist das Sicherheitsdatenblatt beim Lieferanten anzufordern, wenn die vorhandenen Informationen für eine Gefährdungsbeurteilung nicht ausreichen.

(6) Auch für Stoffe und Gemische, für die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben kein Sicherheitsdatenblatt erforderlich ist, sind Lieferanten verpflichtet, den Abnehmern verfügbare und sachdienliche Informationen zu übermitteln, die notwendig sind, damit geeignete Maßnahmen ermittelt und angewendet werden können.

(7) Weitere relevante, für den Arbeitgeber mit zumutbarem Aufwand zugängliche Informationsquellen zur Ermittlung der Stoffeigenschaften, zur Ermittlung von tätigkeitsspezifischen Gefährdungen und daraus resultierenden Schutzmaßnahmen können sein:

  1. Technische Regeln für Gefahrstoffe und Bekanntmachungen für Gefahrstoffe (www.baua.de/trgs),
  2. Kennzeichnungsetikett auf der Verpackung, Gebrauchsanweisungen, Technische Merkblätter, die aus Melde-, Risikobewertungs- oder Zulassungsverfahren gewonnene Erkenntnisse beschreiben,
  3. branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen (z. B. Regeln und Informationen der Unfallversicherungsträger, Handlungsanleitungen zur guten Arbeitspraxis, Schutzleitfäden),
  4. branchenbezogene Gefahrstoff- und Produktbewertungen der Unfallversicherungsträger (z. B. GISBAU Gefahrstoffinformationssystem der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, GisChem Gefahrstoffinformationssystem der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie und der BG Holz und Metall),
  5. Stoffinformationen der Bundesländer und der Unfallversicherungsträger (z. B. GESTIS und andere Datenbanken des Institutes für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Informationssystem für gefährliche Stoffe (IGS) des Landes Nordrhein-Westfalen, Gefahrstoffdatenbank der Länder (GDL)),
  6. Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, GESTIS-Stoffmanager/Stoffenmanager®,
  7. Stoffinformationen der Europäischen Chemikalienagentur ECHA.

(8) Personen, die an Entscheidungen für die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsstoffen beteiligt sind, sollten an der Informationsermittlung mitwirken. Dies gilt u. a. für:

  1. den Einsatz von Bau-Produkten: Architekten, Bauherren und Planer,
  2. vorgeschriebene Wartungen im Kfz-Bereich: Automobilhersteller,
  3. die Sanierung von kontaminierten Bereichen: Auftraggeber,
  4. den Einsatz von Desinfektionsmitteln: Auftraggeber, Gesundheitsbehörden.

Die Mitwirkung dieser Personen entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner Verantwortung für die Gefährdungsbeurteilung.

5.2 Gefahrstoffe

(1) In § 2 GefStoffV ist festgelegt, was ein Gefahrstoff ist. Die nachfolgenden Absätze erläutern diese Begriffsbestimmung.

(2) Alle nach CLP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, CLP-VO) als gefährlich eingestuften Stoffe, Gemische und Erzeugnisse sind Gefahrstoffe.

(3) Zu den Gefahrstoffen zählen auch nicht als gefährlich eingestufte Arbeitsstoffe, die zu Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten bei der Arbeit führen können, z. B. durch:

  1. Hautkontakt, z. B. Feuchtarbeitsplätze (s. TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen“),
  2. physikalisch-chemische Gefährdungen, wie z. B. brennbare Stoffe/Gemische, die nicht als gefährlich eingestuft sind und trotzdem eine Brandlast darstellen z. B. eine Flüssigkeit mit Flammpunkt > 60°C (s. TRGS 800 „Brandschutzmaßnahmen“),
  3. andere physikalisch-chemischen Gefährdungen, z. B. tiefkalte oder heiße Flüssigkeiten, Dämpfe und Gase oder
  4. erstickende oder narkotisierende Gase.

Auch Gemische, die nicht als gefährlich eingestuft sind, jedoch einen gefährlichen Stoff in einer Konzentration enthalten, die nicht zur Einstufung des Gemisches führt, können Gefahrstoffe sein. Solche Gemische sind in bestimmten Fällen anhand von ergänzenden Gefahrenhinweisen (z. B. EUH 208 „Enthält ...<Name des sensibilisierenden Stoffes>. Kann allergische Reaktionen hervorrufen.“) zu erkennen.

(4) Innerbetrieblich hergestellte Stoffe oder Gemische oder Zwischenprodukte, die nicht in Verkehr gebracht werden, muss der Arbeitgeber gemäß § 6 GefStoffV selbst einstufen (s. TRGS 201 „Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“).

(5) Auch kosmetische Mittel, Lebensmittel und -zusatzstoffe, Futtermittel und -zusatzstoffe, Arzneimittel, Medizinprodukte, Tabakerzeugnisse, Abfälle und Altöle sowie Abwässer können Gefahrstoffe im Sinne der GefStoffV sein. Zu den Gefahrstoffen gehören auch Bestandteile von Pflanzen und Tieren, wenn sie gefährliche Eigenschaften aufweisen (z. B. sensibilisierend nach TRGS 907). Solche Stoffe oder Gemische sind gegebenenfalls gemäß § 6 Absatz 3 GefStoffV selbst einzustufen (s. TRGS 201 „Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“).

(6) Gefahrstoffe sind auch alle Stoffe, für die Arbeitsplatzgrenzwerte (TRGS 900), Biologische Grenzwerte (TRGS 903), Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen (TRGS 910) oder Beurteilungsmaßstäbe in den entsprechenden TRGS veröffentlicht wurden. Weitere Informationen zu krebserzeugenden und sensibilisierenden Gefahrstoffen finden sich in den TRGS 905 und TRGS 907.

(7) Bei Stoffen, die gemäß Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-VO) registriert sind2), kann davon ausgegangen werden, dass alle relevanten Daten vorhanden sind.

(8) Stoffe und Gemische sind wie Gefahrstoffe zu behandeln, wenn für die folgenden gefährlichen Eigenschaften Prüf ergebnisse oder aussagekräftige Bewertungen nicht oder nur teilweise vorliegen:

  1. akut toxisch (ein Aufnahmeweg ist ausreichend),
  2. hautreizend,
  3. keimzellmutagen,
  4. hautsensibilisierend und
  5. toxisch bei wiederholter Applikation.

Ob Prüfergebnisse oder Bewertungen vorhanden sind, kann anhand des Sicherheitsdatenblattes (Abschnitt 2 „Mögliche Gefahren“ und Abschnitt 11 „Toxikologische Angaben“) festgestellt werden oder ist anderweitig, insbesondere durch Nachfrage beim Lieferanten zu ermitteln. Sind im Sicherheitsdatenblatt in den Abschnitten 2 und 11 keine Informationen zu den genannten Eigenschaften vorhanden, sind Formulierungen in Abschnitt 11 wie z. B. „Aufgrund der verfügbaren Daten sind die Einstufungskriterien nicht erfüllt.“ ausreichend. Die Aussagen „Keine Daten“ oder „Keine Information verfügbar“ sind nicht ausreichend.

(9) Können die Informationen nach Absatz 8 nicht ermittelt werden, so sind für Tätigkeiten mit diesen Stoffen Schutzmaßnahmen entsprechend folgender Einstufungen zu treffen:

  1. Acute Tox. 3 (Akute Toxizität Kategorie 3; H301, H311, H331),
  2. Skin Irrit. 2 (Hautreizung Kategorie 2; H315),
  3. Muta. 2 (Keimzellmutagenität Kategorie 2; H341),
  4. Skin Sens. 1 (Hautsensibilisierend Kategorie 1; H317) und
  5. STOT RE 2 (Spezifische Zielorgantoxizität bei wiederholter Exposition Kategorie 2; H373).

(10) Stoffe, die für wissenschaftliche sowie produkt- und verfahrensorientierte Forschung und Entwicklung entsprechend Artikel 3 Nummer 22 und Nummer 23 der REACH-VO verwendet werden, sind in der Gefährdungsbeurteilung gemäß den Vorgaben der TRGS 526 „Laboratorien“ zu behandeln, sofern keine ausreichenden Erkenntnisse zu deren gefährlichen Eigenschaften vorliegen.

(11) Gefahrstoffe können auch bei Tätigkeiten entstehende oder freigesetzte Stäube (einschließlich Rauche, ultrafeine Partikel), Gase, Dämpfe oder Nebel sein. Beispiele für das Freisetzen oder Entstehen von Gefahrstoffen sind:

  1. aus einer Schweißelektrode entstehende Schweißrauche,
  2. beim Schleifen freigesetzter Holzstaub,
  3. aus Reinigern freigesetzte Lösemittel,
  4. beim Bohren freigesetzte Stäube,
  5. bei Arbeiten in kontaminierten Bereichen freigesetzte Stäube, (z. B. aus Baumaterialien freigesetzter asbesthaltiger Staub),
  6. bei Tätigkeiten entstehende Pyrolyseprodukte,
  7. Aerosole und Dämpfe bei der spanabhebenden Metallbearbeitung mit Kühlschmierstoffen.

Für die Bewertung dieser Gefahrstoffe können auch die Informationsquellen nach Nummer 5.1 Absatz 7 herangezogen werden.

(12) Können für die bei Tätigkeiten freigesetzten Stäube (einschließlich Rauche), Gase, Dämpfe oder Nebel keine ausreichenden Informationen bezüglich der Gesundheitsgefahren ermittelt werden, so ist gemäß Absatz 9 zu verfahren.

5.3 Weitere relevante stoffbezogene Informationen

Neben der Einstufung und Kennzeichnung sowie Informationen zu sonstigen Gefahren können für die Gefährdungsbeurteilung folgende stoffbezogene Informationen relevant sein:

  1. das Freisetzungsvermögen des Gefahrstoffes (Dampfdruck, Siedepunkt, Staubungsverhalten) gemäß Abschnitt 9 des Sicherheitsdatenblattes,
  2. die hautresorptiven Eigenschaften von Gefahrstoffen (TRGS 900, TRGS 905, TRGS 910, TRGS 401, „MAKListe“),
  3. belästigende Eigenschaften, die bei der Maßnahmenfestlegung zu berücksichtigen sind, z. B. starke Geruchsbildung,
  4. bestehende Kontaminationen, z. B. Informationen des Bauherrn oder des Auftraggebers bei Tätigkeiten auf Grundstücken, in Gebäuden oder an Maschinen oder Anlagen,
  5. Informationen über sicherheitstechnische Kenngrößen gemäß Abschnitt 9 des Sicherheitsdatenblattes, z. B. Flammpunkt, Zündtemperatur, Explosionsgrenzen, Mindestzündenergie, Zersetzungstemperatur, Selbstentzündungstemperatur,
  6. Hinweise auf Nanomaterialien (BekGS 527 „Hergestellte Nanomaterialien“).

5.4 Tätigkeitsbezogene Informationen

(1) Bei den Tätigkeiten sind alle Arbeitsvorgänge und Betriebszustände zu berücksichtigen, insbesondere auch An- und Abfahrvorgänge von Prozessen, Wiederinbetriebnahme nach längerem Stillstand, Reinigungs-, Wartungs-, Inspektions-, Instandsetzungs-, Aufräum- und Abbrucharbeiten, Lagerung, innerbetriebliche Beförderung, Entsorgung sowie die Beseitigung von vorhersehbaren Betriebsstörungen. Bedien- und Überwachungstätigkeiten sind ebenfalls zu berücksichtigen, sofern sie zu einer Gefährdung von Beschäftigten durch Gefahrstoffe bei der Arbeit führen können.

(2) Folgende Informationen sind zu berücksichtigen:

  1. Erkenntnisse aus der Begehung des Arbeitsplatzes und Hinweise von Beschäftigten bzw. des Betriebs- oder Personalrates,
  2. angewendete Verfahren, Arbeitsmittel, Arbeitstechniken sowie Arbeitsumfeld und -bedingungen, z. B. Raumgröße, Lüftungsverhältnisse, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lärm, schwere körperliche Arbeit, belastende persönliche Schutzausrüstung,
  3. Menge der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe,
  4. Art, Ausmaß, Dauer und Verlauf der Exposition gegenüber Gefahrstoffen durch Einatmen oder Hautkontakt, ggf. auch zur unbewussten oralen Aufnahme bei mangelnder Hygiene,
  5. vorhandene Schutzmaßnahmen:
    a) technische Schutzeinrichtungen wie z. B. Kapselung, Quellenabsaugung, Lüftungseinrichtungen,
    b) organisatorische Schutzmaßnahmen z. B. Zutrittsbeschränkungen, Begrenzung der Expositionszeiten,
    c) persönliche Schutzausrüstung wie z. B. Atemschutz, Chemikalienschutzhandschuhe, Schutzbrille.
  6. vorhersehbare Betriebsstörungen und deren Beseitigung, die zu erhöhten Expositionen gegenüber Gefahrstoffen oder Brand- und Explosionsgefährdungen führen können.

(3) Treten bei Tätigkeiten mehrere Gefahrstoffe gleichzeitig auf, so sind anhand der Informationsquellen nach Nummer 5.1 bekannte Wechsel- oder Kombinationswirkungen mit Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Beispiele für bekannte Wechsel- und Kombinationswirkungen sind:

  1. Lösemittelgemische, die zu Erkrankungen des Nervensystems führen können,
  2. Asbest und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) (Verstärkung der krebserzeugenden Wirkung),
  3. Asbest und Rauchen (Verstärkung der krebserzeugenden Wirkung),
  4. Stoffe, z. B. bestimmte Lösemittel, die die Aufnahme anderer Gefahrstoffe über die Haut erhöhen (Carrier-Effekt).

Wechsel- und Kombinationswirkungen können auch andere Gefährdungen betreffen, z. B. bei gleichzeitiger Belastung von Lärm und Stoffen, die ototoxisch wirken (siehe auch TRLV Lärm Teil 1 Beurteilung der Gefährdung durch Lärm).

5.5 Informationen über Substitutionsmöglichkeiten

Der Arbeitgeber muss ermitteln, ob Stoffe oder Verfahren mit einer insgesamt geringeren Gefährdung als die von ihm verwendeten oder in Aussicht genommenen verfügbar sind (siehe Nummer 6 und TRGS 600 „Substitution“).

5.6 Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen

Erkenntnisse zu bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen sowie Informationen zu möglichen weiteren Schutzmaßnahmen sind bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Sie können gewonnen werden aus:

  1. Arbeitsplatzmessungen oder anderen Methoden zur Wirksamkeitsprüfung nach Nummer 7 (innerbetrieblich durchgeführt oder veröffentlichte Beispiele vergleichbarer Arbeitsplätze),
  2. Aufzeichnungen über Unfälle, Störungen des Betriebsablaufes und „Beinahe-Unfälle“ (innerbetrieblich oder aus einschlägigen Veröffentlichungen),
  3. Informationen über den Stand der Technik (siehe auch TRGS 460 „Handlungsempfehlung zur Ermittlung des Standes der Technik“).

5.7 Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischer Vorsorge

(1) Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge sind nach § 6 GefStoffV bei der Gefährdungsbeurteilung ebenfalls zu berücksichtigen; sie können wertvolle Hinweise für die Festlegung von Maßnahmen und ggf. deren Wirksamkeitsüberprüfung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung liefern. Erkenntnisse können sich ergeben aus:

  1. Hinweisen aus der betriebsärztlichen Tätigkeit, die auf eine erhöhte Gefahrstoffbelastung schließen lassen oder
  2. Hinweisen über unzureichende Schutzmaßnahmen, die dem Arbeitgeber vom Arzt oder der Ärztin als Ergebnis z. B. der Arbeitsmedizinischen Vorsorge oder des Biomonitorings unter Berücksichtigung der ärztlichen Schweigepflicht zusammen mit Vorschlägen für Schutzmaßnahmen übermittelt werden.

(2) Wird ein Biologischer Grenzwert (BGW) gemäß TRGS 903 oder ein stoffspezifischer Äquivalenzwert im biologischen Material zur Akzeptanz- und Toleranzkonzentration nach TRGS 910 Anlage 1 Tabelle 2 überschritten, kann dies ein wichtiger Hinweis auf unzureichende Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sein. Der Biologische Grenzwert gemäß TRGS 903 bzw. der stoffspezifische Äquivalenzwert nach kann auch überschritten sein, obwohl bei Tätigkeiten mit einem Gefahrstoff der Arbeitsplatzgrenzwert gemäß TRGS 900 bzw. die Akzeptanz-/Toleranzkonzentration nach TRGS 910 eingehalten ist; dies kann auf erhebliche dermale (oder orale) Belastungen oder eine erhöhte körperliche Belastung hindeuten.

5.8 Gefahrstoffverzeichnis

(1) Über die ermittelten Gefahrstoffe ist ein Verzeichnis zu führen. Es soll einen Überblick über die im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe geben. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass bestimmte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nur zu einer geringen Gefährdung der Beschäftigten führen (siehe Nummer 6.2), müssen diese Gefahrstoffe nicht in das Gefahrstoffverzeichnis aufgenommen werden.

(2) Das Gefahrstoffverzeichnis ist auf dem aktuellen Stand zu halten. Es empfiehlt sich, das Verzeichnis nach der betriebsspezifischen Organisationsstruktur aufzugliedern. Das Gefahrstoffverzeichnis kann in Papierform oder elektronisch geführt werden.

(3) Das Gefahrstoffverzeichnis muss mindestens folgende Angaben enthalten:

  1. Bezeichnung des Gefahrstoffes (z. B. Produkt- oder Handelsname aus dem Sicherheitsdatenblatt),
  2. Einstufung des Gefahrstoffes nach CLP-VO (Gefahrenklasse, -kategorie und Gefahrenhinweise (H-Sätze) und ggfs. ergänzende Gefahrenmerkmale und ergänzende Kennzeichnungselemente (EUH-Sätze)) oder sonstige Eigenschaften, die den Stoff zu einem Gefahrstoff machen,
  3. Angaben zu den im Betrieb verwendeten Mengenbereichen,
  4. Bezeichnung der Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte dem Gefahrstoff ausgesetzt sein können, sowie
  5. einen Verweis auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter.

Die Angaben nach Ziffer 1, 2 und 4 sowie die Sicherheitsdatenblätter müssen allen betroffenen Beschäftigten und ihren Vertretern zugänglich sein.3)

(4) Solange noch Stoffe oder Gemische mit einer Kennzeichnung nach der Stoff- bzw. der Zubereitungsrichtlinie im Betrieb vorhanden sind, kann im Gefahrstoffverzeichnis die Einstufung nach diesen Richtlinien beibehalten werden.

(5) Das Gefahrstoffverzeichnis kann als Bestandteil der Dokumentation nach Nummer 8 dienen.

 

2 Es wird darauf hingewiesen, dass für registrierte Stoffe zwischen 1 und 10 t/a Daten für die inhalative und dermale Toxizität sowie die Toxizität für wiederholte Applikation in der Regel nicht erhoben werden / nicht bekannt sind.
 
3 Gemäß REACH-VO Art. 35 müssen Arbeitnehmern und ihren Vertretern auch zu bestimmten Stoffen bzw. Gemischen, für die kein Sicherheitsdatenblatt erforderlich ist, Informationen zur Verfügung gestellt werden. Werden diese in REACH-VO Art. 32 beschriebenen Information mit in das Gefahrstoffverzeichnis aufgenommen, dann kann dies auch zur gemeinsamen Erfüllung der Anforderungen gemäß REACH-VO Art. 35 genutzt werden.