4 Schutzmaßnahmen

4.1 Allgemeines

(1) Allgemeine Anforderungen an die Instandhaltung sind in der TRBS 1112 geregelt.

Bei Instandhaltungsarbeiten im Sinne dieser TRBS hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die hierdurch bedingte Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre durch Maßnahmen nach Abschnitt 4.2 vermieden wird.

(2) Lässt sich nach der Durchführung von Maßnahmen nach Abschnitt 4.2 die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphären nicht vollständig ausschließen, sind Maßnahmen zur Vermeidung von Zündquellen nach Abschnitt 4.3 zu treffen.

(3) Werden die Instandhaltungsarbeiten in einem explosionsgefährdeten Bereich durchgeführt und können hierbei Zündquellen durch Maßnahmen nach Abschnitt 4.3 nicht vermieden werden, können die Instandhaltungsarbeiten unter lokaler Überwachung der Konzentration brennbarer Stoffe nach Abschnitt 4.4 durchgeführt werden, sofern die Zündquellen bei Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphären unwirksam gemacht werden.

4.2 Vermeidung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre

(1) Bei Instandhaltungsarbeiten ist die Bildung daraus resultierender gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre soweit wie möglich zu verhindern. Hierzu sind brennbare Stoffe in ausreichendem Maße zu beseitigen bzw. deren Auftreten ist im Instandhaltungsbereich zu vermeiden.

Geeignete Maßnahmen sind z. B.

  1. die Vermeidung des Versprühens oder Vernebelns brennbarer Flüssigkeiten und die Beseitigung von Ablagerungen brennbarer Stäube und
  2. die ausreichende Verdünnung der Konzentration an brennbaren Stoffen. Dies ist der Fall, wenn die Konzentration an Gasen oder Dämpfen im Gemisch mit Luft 50 % der unteren Explosionsgrenze sicher unterschreitet, z. B. durch Einsatz einer technischen Lüftung nach Abschnitt 4.2.2.

In der Regel ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten mit einer ungleichmäßigen Verteilung der brennbaren Stoffe in dem gefährdeten Bereich zu rechnen (hierbei sind auch etwaige Toträume zu beachten). Es sind in Abhängigkeit von den örtlichen Randbedingungen geeignete Maßnahmen zur Überwachung der maximalen Konzentration zu treffen (z. B. Verifizierung an verschiedenen Messpunkten oder permanente Messung für die Dauer der Maßnahmen). Bereits bestehende Ex-Schutzeinrichtungen, z. B. gasdichte Durchführungen, sind hierbei auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Wird die Konzentration von brennbaren Stoffen in Luft mit Hilfe von geeigneten Konzentrationsmessgeräten überwacht, muss der Alarmpunkt in Abhängigkeit der vorliegenden Randbedingungen einen ausreichenden Abstand von der unteren Explosionsgrenze haben.

(2) Die in dem Instandhaltungsbereich freigesetzten Mengen brennbarer Stoffe sind durch geeignete Maßnahmen soweit wie möglich zu reduzieren. Hierzu sind z. B.

  1. Zu- und Abgänge, durch die Stoffe eingeleitet werden können, die während der Instandhaltungsarbeiten gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in dem Arbeitsbereich bilden können, wirksam zu unterbrechen (dies kann in Abhängigkeit von der Instandhaltungsmaßnahme z. B. durch Steckscheiben, Doppelabsperrung mit Zwischenentspannung, etc. erfolgen),
  2. Apparate, Rohrleitungen oder Geräte sind vor Aufnahme der Arbeiten bei Anwesenheit von brennbaren Stoffen soweit wie möglich zu entleeren und zu reinigen. Toträume und Ablagerungen (bei brennbaren Stäuben) sowie die Möglichkeiten einer Nachverdampfung sind zu berücksichtigen.

(3) Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre durch Aerosole ist bei Reinigungs- oder Beschichtungsvorgängen zu vermeiden.

4.2.1 Beseitigung der Explosionsgefahr durch eingeschlossene brennbare Stoffe

(1) Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre durch Instandhaltungsarbeiten kann vermieden werden, indem die in dem Anlagenteil befindlichen brennbaren Stoffe in ausreichendem Maße beseitigt werden, z. B. durch Freispülen (bei brennbaren Flüssigkeiten) oder Beseitigung von brennbaren Stäuben. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist zu kontrollieren, z. B. durch Messungen nach Freispülen. Bei Reinigungsarbeiten ist auf die Eignung des Reinigungsverfahrens und den Einsatz geeigneter Spülmittel zu achten (z. B. Entfernung von Staubablagerungen durch Absaugen mit geeigneten Staubsaugern statt mit Druckluft, Verwendung von Wasser als Spülmedium bei wasserlöslichen Stoffen).

(2) Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre durch Dämpfe einer brennbaren Flüssigkeit kann vermieden werden, wenn die Verarbeitungstemperatur der Flüssigkeit unter ihrem unteren Explosionspunkt (UEP) liegt.

Es ist zu beachten, dass

  1. die Umgebungstemperatur über den UEP ansteigen kann (z. B. durch Sonneneinstrahlung),
  2. die brennbare Flüssigkeit über den UEP erwärmt werden kann (z. B. durch Tankheizeinrichtungen).

(3) Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre kann im Innern von Apparaten, Rohrleitungen oder Geräten in besonderen Fällen durch Inertisierung (z. B. durch Einleitung von Stickstoff) verhindert werden. Die Inertisierung ist zu überwachen.

Bei Anwendung der Inertisierung müssen wirksame Maßnahmen zur Vermeidung der Gefährdung Beschäftigter durch Ersticken getroffen werden.

4.2.2 Lüftungsmaßnahmen

(1) Die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre kann durch geeignete Lüftungsmaßnahmen vermieden oder eingeschränkt werden (siehe hierzu TRGS 722 Abschnitt 4.6).

Durch Lüftungsmaßnahmen soll so weit wie möglich die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre im Rahmen der Instandhaltungsmaßnahmen verhindert oder eingeschränkt werden. Die Wirksamkeit einer Lüftungsmaßnahme wird durch verschiedene Parameter, u. a. Stärke, Verfügbarkeit und Art der Luftführung (Güte), bestimmt.

(2) Die Wirksamkeit der Lüftung ist während der Arbeiten zu überwachen. Dies kann z. B. geschehen durch

  1. fortlaufende Konzentrationsmessungen mit Gaswarneinrichtungen,
  2. wiederholte Einzelmessungen der Konzentration brennbarer Stoffe,
  3. Kontrolle der Einhaltung der Zu- und Abluftleistung bei technischer Lüftung.

(3) Die unbeabsichtigte Abschaltung der technischen Lüftung ist durch geeignete technische oder organisatorische Maßnahmen auszuschließen.

(4) Bei unwirksam gewordener Lüftung sind die Arbeiten sofort einzustellen und der Arbeitsbereich ist unverzüglich zu verlassen.

(5) Nach Beendigung der Arbeiten muss die technische Lüftung so lange in Betrieb bleiben, bis mögliche zusätzliche Explosionsgefahren ausgeschlossen sind.

4.3 Vermeidung von Zündquellen

(1) Kann das Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre nicht sicher verhindert werden, sind im gefährdeten Bereich geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Zündquellen zu treffen.

(2) Maßnahmen zur Zündquellenvermeidung sind z. B.

  1. Vermeidung von Zündquellen durch mechanische Reib-, Schlag- und Abriebvorgänge, insbesondere durch Maßnahmen nach TRGS 723 Abschnitt 5.4,
  2. Vermeidung unzulässiger Erwärmung (z. B. durch Strahler oder Heißluft),
  3. Vermeidung aluminiumhaltiger Teile (z. B. bei Leitern oder persönlicher Schutzausrüstung) in rostiger Umgebung,
  4. Vermeidung elektrostatischer Aufladung von Personen (z. B. durch Verwendung von ableitfähigem Schuhwerk), Arbeitsmitteln, persönlicher Schutzausrüstung (z. B. durch Auswahl geeigneter Schutzanzüge) und Einbauten, insbesondere durch Maßnahmen nach TRGS 727,
  5. Vermeidung von Zündfunken infolge elektrischer Potentialunterschiede (z. B. durch metallisch leitende Überbrückung der Trennstelle vor der Trennung von Anlagenteilen oder Rohrleitungen),
  6. rechtzeitige Abschaltung der Stromquelle bei Anlagen für den kathodischen Korrosionsschutz (KKS-Anlagen), die mit Fremdstrom betrieben werden, sodass Restspannungen auf ein unbedenkliches Maß abgebaut sind. Für den Schutz vor Zündgefahren durch elektrische Ausgleichsströme oder KKS-Anlagen ist TRGS 723 Abschnitt 5.6 zu beachten.
  7. Auswahl elektrischer und nichtelektrischer Geräte im Sinne der Richtlinie 2014/34/EU entsprechend der Gerätegruppe II, Kategorie 2 G bzw. D, soweit sich aus der Gefährdungsbeurteilung keine anderen Anforderungen ergeben. Dies gilt auch für Ventilatorlaufräder einschließlich Gehäuse und Lager, die außerhalb explosionsgefährdeter Bereiche betrieben werden, aber Abluft fördern, die explosionsfähige Atmosphäre enthalten kann.
  8. Sicherstellung der Spannungsfreiheit nicht explosionsgeschützter elektrischer Geräte und Installationen, soweit diese nicht aus den gefährdeten Bereichen entfernt werden können. Das Eindringen explosionsfähiger Atmosphäre in unter Spannung stehende Geräte und Installationen muss verhindert sein.

(3) Arbeiten mit Zündgefahr dürfen entsprechend der Gefährdungsbeurteilung nur mit einem Sicherheitsabstand zu gefährdeten Bereichen durchgeführt werden, solange gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann. Arbeiten mit Zündgefahr können z. B. sein:

  1. Schweiß-, Schleif- und Trennarbeiten,
  2. Arbeiten mit offenen Flammen.

Bei Arbeiten mit Zündgefahr, die einen erweiterten Wirkungsbereich haben können, z. B. durch Schweißperlen oder Funkengarben, ist der erweiterte Wirkungsbereich zu berücksichtigen.

4.4 Instandhaltungsarbeiten bei Überwachung der Konzentration brennbarer Stoffe

(1) Werden die Instandhaltungsarbeiten in Bereichen durchgeführt, in denen gefährliche explosionsfähige Atmosphäre nicht ausgeschlossen ist und können hierbei Zündquellen nicht vermieden werden, müssen die Instandhaltungsarbeiten unter Überwachung der Konzentration brennbarer Stoffe durchgeführt werden. Die Überwachung kann, in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre, entweder vor oder während der Durchführung der Instandhaltungsarbeiten erfolgen. Die Messungen müssen an geeigneten Stellen zur zuverlässigen Feststellung der Konzentration der brennbaren Stoffe erfolgen.

(2) Zur Überwachung sind geeignete Messverfahren anzuwenden. Geeignete Messverfahren sind

  1. kontinuierliche Messungen, z. B. mit direkt anzeigenden Geräten,
  2. wiederholte Einzelmessungen, z. B. mit Prüfröhrchen oder mit Probenahme und Laboranalyse.

(3) Bei der Auswahl der Messverfahren sind die speziellen Eigenschaften der zu messenden Stoffe zu berücksichtigen, z. B. Querempfindlichkeiten gegen andere Stoffe einschließlich Wasserdampf.

(4) Entscheidend für die Auswahl des Messverfahrens sind auch die Verhältnisse des Arbeitsbereiches.

  1. In Räumen und Behältern, die vollständig entleert, gespült und gereinigt sind und in die ein Eindringen von brennbaren Stoffen ausgeschlossen ist, ist eine einmalige Messung zeitnah vor Beginn der Arbeiten ausreichend. Das Ergebnis der Messung ist geeignet zu dokumentieren.
  2. In Räumen und Behältern, die Verunreinigungen oder Rückstände aufweisen (z. B. auf Grund von Ansammlungen brennbarer Flüssigkeiten hinter beschädigten Beschichtungen, nicht lösbare Rückstände, Toträume, etc.), die zur Bildung explosionsfähiger Atmosphären führen können, oder die nicht vollständig abgetrennt sind und bei denen daher ein Eindringen von explosionsfähigen Atmosphären möglich ist, oder für Bereiche, in denen durch herandriftende Gaswolken eine Bildung explosionsfähiger Atmosphären möglich ist, sind wiederholte Einzelmessungen erforderlich. Kontinuierliche Messungen mit direkt anzeigenden Messgeräten sind zu bevorzugen.

(5) Die zur Feststellung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verwendeten Messeinrichtungen müssen für diesen Einsatzzweck nachweislich geeignet und funktionssicher sein (Liste geprüfter Gaswarngeräte siehe z. B. https://www.bgrci.de/exinfode/dokumente/gaswarneinrichtungen-und-geraete/funktionsgepruefte-gaswarngeraete, siehe auch TRGS 722).

(6) Messgeräte, die zur Überwachung der Konzentration brennbarer Stoffe in der Gasphase eingesetzt werden, müssen vor Beginn der Arbeiten (arbeitstäglich) auf Funktion getestet werden (z. B. Sichtkontrolle des äußeren Zustandes, Ladezustand des Akkumulators oder der Batterien).

(7) Der Arbeitgeber darf mit der Überwachung der Konzentration nur Personen beauftragen, die über die erforderliche Fachkunde verfügen. Die Fachkunde bezieht sich auf

  1. die verwendeten Messgeräte bzw. Messverfahren,
  2. die Eigenschaften der zu messenden Stoffe,
  3. die angewendeten Arbeitsverfahren,
  4. die betrieblichen Verhältnisse, z. B. die Beschaffenheit der Räume und Behälter oder mögliche Einbauten, welche die Probenahme beeinflussen können.

(8) Kann während der Durchführung von Instandhaltungsarbeiten eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre (z. B. durch Freisetzung von Gasen oder Dämpfen in angrenzenden Bereichen) nicht ausgeschlossen werden, so ist vor Beginn der Arbeiten dafür zu sorgen, dass in diesem Gefahrenfall rechtzeitig hinreichende Schutzmaßnahmen gegen die Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre durch sofortiges Unwirksammachen aller Zündquellen getroffen werden. Es ist sicherzustellen, dass in diesem Fall eine für alle Beteiligten erkennbare Warnung ergeht.

Können Zündquellen bei Auftreten explosionsfähiger Atmosphären nicht unmittelbar unwirksam gemacht werden, z. B. heiße Oberflächen beim Schweißen, ist dies zu berücksichtigen.