4 Gefährdungsbeurteilung

Der Arbeitgeber hat entsprechend § 7 BioStoffV eine Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen durchzuführen. Dazu hat er sich vor der Aufnahme von Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen ausreichende Informationen zu beschaffen, die eine Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich biologischer Gefährdungen ermöglichen (§ 5 BioStoffV). Aus der Bewertung der Informationen hat die Ableitung von Schutzmaßnahmen zu erfolgen. Der Arbeitgeber hat sich fachkundig beraten zu lassen, sofern er nicht selbst über die erforderlichen Kenntnisse verfügt. Für fachkundige Beratung stehen die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder der Betriebsarzt zur Verfügung. Zusätzliche wertvolle Informationen bei z. B. Erkrankung von Tieren sind auch über den Tierarzt bzw. das Veterinäramt zu erhalten.

4.1 Gefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe

(1) Bei Tätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft sowie angrenzenden Wirtschaftszweigen gehen die Beschäftigten mit Tieren, Pflanzen, deren Produkten bzw. Zwischenprodukten, Fahrzeugen, Maschinen und Arbeitsgeräten um, die biologische Arbeitsstoffe enthalten bzw. denen diese Stoffe anhaften, ohne dass die Tätigkeiten auf diese ausgerichtet sind.

In der Regel sind die auftretenden biologischen Arbeitsstoffe nicht im Einzelnen nach der Art, Menge und Zusammensetzung bekannt. Es kommt daher meist zu einer mikrobiellen Mischexposition der Beschäftigten, wobei die Expositionsverhältnisse zeitlich und räumlich starken Schwankungen unterliegen. Aus diesen Gründen handelt es sich um nicht gezielte Tätigkeiten im Sinne der BioStoffV.

(2) Die Gefährdung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen wird maßgeblich durch deren Eigenschaften sowie Menge, Umfang der Freisetzung und Verbreitung, Art, Dauer und Häufigkeit des Kontakts bestimmt.

(3) Die Wege für die Aufnahme und Übertragung von biologischen Arbeitsstoffen sind:

Atemwege: Staub und Tröpfchen in der Luft (Aerosole) können neben Infektionserregern auch sensibilisierende oder toxisch wirkende Substanzen enthalten.

Mund: Maßgeblich ist der Hand-Mundkontakt / Schmierinfektion (z. B. Essen, Trinken, Rauchen) besonders bei häufigem Tierkontakt und Umgang mit Wirtschaftsdünger.

Haut, Schleimhaut:

Haut mit verminderter Schutzbarriere (z. B. Wunden, Ekzeme oder durch Nässe aufgeweichte Haut) kann die Übertragung von Infektionserregern begünstigen.

Tiere:

Zu beachten ist, dass viele Infektionserreger nicht nur über einen sondern auch über mehrere der oben genannten Übertragungswege aufgenommen werden können.

(4) Es werden infektiöse, sensibilisierende und toxische Wirkungen unterschieden. Hierbei ist stets davon auszugehen, dass auch bei geringer Infektionsgefährdung durch die Einwirkung von Stäuben, denen biologische Arbeitsstoffe anhaften, sensibilisierende (z. B. Allergieauslösende Schimmelpilze) und toxische (z. B. Endotoxine, Mykotoxine) Wirkungen möglich sind. Daher sind die sensibilisierenden oder toxischen Wirkungen von Mikroorganismen unabhängig vom Infektionspotential in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Hierfür typisch sind Mischexpositionen mit einer Vielzahl allergener und toxischer luftgetragener Komponenten. Bei diesen handelt es sich beispielsweise um Schimmelpilze und Endotoxine, aber auch um - nicht unter die BioStoffV fallende - Pflanzen und Futtermittelbestandteile, Pollen, Haare und Partikeln der Nutztiere oder Vorratsmilben.

Stäube, die Schimmelpilze und Actinomyceten ("Strahlenpilz") enthalten, werden in der TRGS 907 "Verzeichnis sensibilisierender Stoffe" als sensibilisierende Gefahrstoffe bewertet.

Beispiele für Tätigkeiten mit möglicher Exposition gegenüber sensibilisierenden und toxischen biologischen Arbeitsstoffen sind:

(5) Gemäß BioStoffV werden biologische Arbeitsstoffe entsprechend ihrem Infektionsrisiko in Risikogruppen eingeteilt. Im Anwendungsbereich dieser TRBA treten in der Regel biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppen 1 und 2 auf.

(6) Werden bei Tieren Infektionserreger der Risikogruppe 3 nachgewiesen oder besteht ein begründeter Verdacht einer entsprechenden Infektion, kann dies jedoch zu einer besonderen Gefährdung für den Menschen führen.

Auch durch Nagetiere, Vögel oder andere Tiere und deren Ausscheidungen können biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppe 3 übertragen werden.

(7) Tätigkeiten im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten, die durch Krankheitserreger der Risikogruppe 4 ausgelöst werden, sind im Anwendungsbereich dieser TRBA nach bisherigem Kenntnisstand nicht bekannt.

Beispiele für Infektionserreger in verschiedenen Arbeitsbereichen:

Arbeitsbereich
Übertragung durch Krankheit Infektionserreger Risikogruppe
Pflanzenproduktion
Boden / Substrat Wundstarrkrampf Clostridium tetani 2
Pflanzenproduktion



Schadnager Hämorrhagisches Fieber mit Nierenerkrankung Hantaviren 2
Tierhaltung



Rinder, Schafe, Pferde Hautpilz Trichophyton spp. 2
Tierhaltung



Geflügel, Ziervögel, Haustiere Ornithose, Psittakose Chlamydophila psittaci 3
Tierhaltung



Rinder, Schafe Q-Fieber Coxiella burnetii 3
Forstwirtschaft



Zecken Lyme-Borreliose bzw. Zecken-Borreliose Borrelia burgdorferi 2
Forstwirtschaft



Zecken Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME-Virus 3(**)3)
Binnenfischerei



Fische Rotlauf Erysipelothrix rhusiopathiae 2
Zoo



Alle Säugetiere Tuberkulose Mycobacterium tuberculosis 3

 

4.2 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

(1) Die Gefährdungsbeurteilung ist vor Aufnahme von Tätigkeiten durchzuführen. Bei Änderungen der Arbeitsbedingungen sowie bei den weiteren in § 8 BioStoffV genannten Anlässen ist die Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren. Eine erneute Gefährdungsbeurteilung ist auch notwendig, wenn dem Arbeitgeber Erkrankungen bei Beschäftigten bekannt werden, die auf entsprechende Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen zurückzuführen sind.

Bei der Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen sind diese auch zur Zusammenarbeit bei der Gefährdungsbeurteilung verpflichtet (§ 8 ArbSchG).

(2) Wartungs- und Reinigungsarbeiten sowie Überwachungstätigkeiten sind auch Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung. Dazu sind die Häufigkeit der Arbeiten, die erforderlichen Tätigkeiten und die Expositionszeiten zu berücksichtigen.

(3) Bei der Beschaffung von Informationen für die Gefährdungsbeurteilung sind neben den zu erwartenden biologischen Arbeitsstoffen sowie Ausmaß und Dauer der Exposition, weitere Sachverhalte zu ermitteln, z. B.

(4) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind auch Informationen über bekannte tätigkeitsbezogene Erkrankungen von Beschäftigten bei vergleichbaren Tätigkeiten zu berücksichtigen. Dabei ist auch auf sensibilisierende und toxische Wirkungen zu achten.

(5) Beim Einsatz von mobilen Maschinen und Arbeitsgeräten ist dies in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen. Es sind mögliche Gefährdungen für Beschäftigte zu berücksichtigen, die z. B. durch Verschleppung biologischer Arbeitsstoffe entstehen können.

(6) Eine Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung anhand von Beispielen gibt die technische Regel für biologische Arbeitsstoffe "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" (TRBA 400).

(7) Bei vielen Maßnahmen, die zum Schutz der Beschäftigten ergriffen werden, bestehen positive Zusammenhänge zwischen Arbeitsschutz und Verbraucherschutz bzw. Tierschutz und Tierhygiene. So können beispielsweise allgemeine Hygienemaßnahmen im Bereich der Nutztierhaltung, wenn sie gewissenhaft umgesetzt werden, gleichzeitig auch dem Schutz für die Beschäftigten dienen.


 


3 Bei biologischen Arbeitsstoffen, die in der Richtlinie 2000/54/EG in Risikogruppe 3 eingestuft und mit zwei Sternchen (**) versehen wurden, kann eine Übertragung über den Luftweg normalerweise nicht erfolgen.