5 Arbeitsmedizinische Prävention

Die arbeitsmedizinische Prävention umfasst in der Regel die Beteiligung des Betriebsarztes an der Gefährdungsbeurteilung, die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung und die arbeitsmedizinische Vorsorge.

5.1 Beteiligung des Arbeitsmediziners an der Gefährdungsbeurteilung

(1) In der Gefährdungsbeurteilung sind entsprechend den ermittelten spezifischen Gefährdungen arbeitsmedizinische Fragestellungen zu beachten und zu beurteilen. Der Arbeitgeber hat deshalb zu prüfen, ob für eine fachkundige Durchführung der Gefährdungsbeurteilung arbeitsmedizinischer Sachverstand z. B. durch die Beteiligung des bestellten Betriebsarztes erforderlich ist.

(2) Arbeitsmedizinischer Sachverstand soll hinzugezogen werden z. B. bei Tätigkeiten:

  1. mit experimentell eingesetzten humanpathogenen Biostoffen,
  2. bei denen sensibilisierende luftgetragene Stoffe auftreten,
  3. die spezielle Desinfektions- und Hygienemaßnahmen erfordern,
  4. die eine Organisation spezieller Erste-Hilfe-Maßnahmen und einer postexpositionellen Prophylaxe erfordern,
  5. bei denen eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge zu veranlassen ist,
  6. der Schutzstufen 2 oder 3, für die die Notwendigkeit einer Angebotsvorsorge zu prüfen ist,
  7. die eine belastende persönliche Schutzausrüstung erfordern oder
  8. die mit zusätzlichen Belastungen der Haut verbunden sind.

5.2 Allgemeine arbeitsmedizinische Beratung

(1) Im Rahmen der Unterweisung nach Nummer 4.1 Absatz 7 dieser TRBA hat eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung der Beschäftigten zu erfolgen. In diese ist der bestellte Betriebsarzt bzw. der mit der Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge beauftragte Arzt einzubeziehen. Eine Beteiligung ist z. B. auch durch die Schulung der Personen, die die Unterweisung durchführen, oder durch die Mitwirkung bei der Erarbeitung von Unterweisungsmaterialien gegeben.

(2) Die Beschäftigten müssen in Abhängigkeit vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung informiert und beraten werden u. a. über:

  1. mögliche gesundheitliche Gefährdungen durch die relevanten Biostoffe. Dabei sind insbesondere
    1. die typischen bzw. mit der Tätigkeit verbundenen Übertragungswege,
    2. die möglichen Symptome und Krankheitsbilder,
    3. die Gefahren für werdende und stillende Mütter und
    4. die Präventionsmaßnahmen und möglichen Schutzimpfungen
    zu berücksichtigen.
  2. Verhaltensregeln, z. B. zu Hygieneanforderungen, Hautschutz und -pflege und deren konsequente Umsetzung,
  3. die erforderliche arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge einschließlich der Impfangebote, deren Umfang und Nutzen,
  4. Maßnahmen der Ersten Hilfe einschließlich der Postexpositionsprophylaxe und dem Vorgehen bei Schnitt- und Stichverletzungen sowie
  5. das Vorgehen bei Krankheitssymptomen, die ihre Ursache in der Tätigkeit haben können (z. B. Information des Hausarztes über die ausgeübte Tätigkeit, Mitteilung an den für die Arbeiten Verantwortlichen).

(3) Im Rahmen der allgemeinen arbeitsmedizinischen Beratung sind die Beschäftigten auch

  1. auf mögliche besondere Gefährdungen bei verminderter Immunabwehr z. B. durch:
    1. immunsuppressive Behandlung,
    2. gestörte Barrierefunktion der Haut,
    3. die Abwehr schwächende Erkrankungen, z. B. Diabetes mellitus, und
  2. auf individuelle gesundheitliche Situationen, die bei der Wahl von PSA berücksichtigt werden müssen

hinzuweisen.

(4) Die möglichen sensibilisierenden Wirkungen von Biostoffen sowie sonstiger auftretender Allergene wie luftgetragene tierische und pflanzliche Proteine, die entsprechende Symptomatik an den Atemwegen und an den Schleimhäuten oder der Haut sowie die gesundheitlichen Auswirkungen bei familiär bedingter Prädisposition oder bereits bestehender allergischer Erkrankungen sind darzustellen. Das Vorgehen bei auftretenden Symptomen ist zu vermitteln (z. B. Beratung durch Betriebsarzt, Tätigkeitswechsel).

(5) Die Beschäftigten sind hinsichtlich möglicher toxischer Wirkungen von Biostoffen, deren Vorkommen und der entsprechenden Symptomatik zu informieren (z. B. ODTS durch Endotoxine in Versuchstierställen).

5.3 Arbeitsmedizinische Vorsorge

5.3.1 Pflichtvorsorge

(1) Im Anwendungsbereich dieser TRBA ist bei Tätigkeiten mit den im Anhang Teil 2 Absatz 1 Nummer 1 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) [23] genannten Biostoffen eine Pflichtvorsorge zu veranlassen. Die Pflichtvorsorge ist Tätigkeitsvoraussetzung. Für nicht gezielte Tätigkeiten sind die Expositionsbedingungen Nummer 2 und 3 des Anhangs Teil 2 Absatz 1 ArbMedVV zu beachten.

Hinweis: Tätigkeiten mit Versuchstieren sind im Rahmen der ArbMedVV den Bereichen Forschungseinrichtungen/Laboratorien zugeordnet.

(2) Im Rahmen der Pflichtvorsorge muss bei Tätigkeiten mit impfpräventablen Biostoffen der Beschäftigte hinsichtlich einer möglichen Impfung ärztlich beraten werden und diese angeboten bekommen. Für den Beschäftigten besteht keine Impfpflicht und eine erfolgte Impfung entlastet den Arbeitgeber nicht von Schutzmaßnahmen (vgl. insgesamt AMR 6.5 [24]).

(3) Daneben können sich in Abhängigkeit von der Gefährdungsbeurteilung weitere Anlässe für eine Pflichtvorsorge gemäß Anhang der ArbMedVV ergeben, z. B. bei:

  1. Tätigkeiten mit einer Exposition mit Gesundheitsgefährdung durch Labortierstaub in Tierräumen;
  2. Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Getreide- und Futtermittelstäuben bei Überschreitung einer Luftkonzentration von 4 Milligramm pro Kubikmeter einatembarem Staub;
  3. Feuchtarbeit von regelmäßig vier Stunden oder mehr je Tag (z. B. Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe, Tätigkeiten bei denen regelmäßig eine intensive bzw. häufige Hautreinigung erforderlich ist);
  4. Tätigkeiten, die das Tragen von Atemschutzgeräten der Gruppe 2 (z. B. Filtergeräte mit Partikelfiltern der Partikelfilterklasse 3, Schutzanzüge in Verbindung mit Schlauch- oder Filtergeräten) oder der Gruppe 3 (z. B. Regenerationsgeräte über 5 kg, Behältergeräte mit Druckluft (Pressluftatmer)) erfordern (vgl. AMR 14.2 [24]).

5.3.2 Angebotsvorsorge

(1) Anlässe für Angebotsvorsorge nach Anhang Teil 2 Absatz 2 ArbMedVV bestehen für gezielte Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3 oder nicht gezielte Tätigkeiten der Schutzstufe 3, sofern sie nicht Inhalt des Anhangs Teil 2 Absatz 1 ArbMedVV sind.

Dies gilt auch für gezielte Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 2 und nicht gezielte Tätigkeiten der Schutzstufe 2, es sei denn, nach dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und auf Grund der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht von einer Infektionsgefährdung auszugehen. Von einer Infektionsgefährdung ist auszugehen, wenn von empfohlenen Schutzmaßnahmen abgewichen werden muss und die Vergleichbarkeit des Schutzniveaus nicht gegeben ist (z. B. wenn aufgrund der Größe des Versuchstieres oder der Art der Tätigkeit keine technischen Schutzmaßnahmen, wie Sicherheitswerkbank oder vergleichbare Einrichtungen verwendet werden können).

Falls es sich um Tätigkeiten mit impfpräventablen Biostoffen handelt, das Infektionsrisiko tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist, schließt die Vorsorge Impfangebote nach ärztlicher Beratung mit ein (vgl. AMR 6.5 [24]).

(2) Anlass für eine Angebotsvorsorge besteht auch bei Tätigkeiten mit sensibilisierend oder toxisch wirkenden Biostoffen für die nicht bereits nach Nummer 5.3.2 Absatz 1 dieser TRBA eine Vorsorge vorgesehen ist.

(3) Anlässe für Angebotsvorsorge bestehen auch ereignisbezogen, wenn

  1. als Folge einer Exposition gegenüber einem Biostoff mit einer schweren Infektion oder Erkrankung gerechnet werden muss und Maßnahmen der postexpositionellen Prophylaxe möglich sind (z. B. Unfallereignisse mit blutübertragbaren Infektionserregern);
  2. eine Infektion oder Erkrankung (z. B. Sensibilisierung, Vergiftung) aufgetreten ist, bei der die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit der Tätigkeit besteht (siehe § 5 Absatz 2 ArbMedVV). Dies gilt auch für Beschäftigte mit vergleichbaren Tätigkeiten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie ebenfalls gefährdet sein können.

(4) Anlass für das Angebot einer Vorsorge besteht auch am Ende einer Tätigkeit, bei der eine Pflichtvorsorge nach Teil 2 Absatz 1 Anhang ArbMedVV zu veranlassen war.

(5) Daneben können sich in Abhängigkeit von der Gefährdungsbeurteilung weitere Anlässe für Angebotsvorsorge gemäß Anhang der ArbMedVV ergeben, z. B. bei:

  1. Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Getreide- und Futtermittelstäuben bei Überschreitung einer Luftkonzentration von 1 Milligramm je Kubikmeter einatembarem Staub,
  2. Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag (z. B. Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe, Tätigkeiten bei denen regelmäßig eine intensive bzw. häufige Hautreinigung erforderlich ist),
  3. Tätigkeiten, die das Tragen von Atemschutzgeräten der Gruppe 1 (z. B. partikelfiltrierende Halbmaske FFP1, FFP2, FFP 3) erfordern (vgl. AMR 14.2 [24]).

5.3.3 Wunschvorsorge

Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten nach § 11 ArbSchG bzw. § 5a ArbMedVV arbeitsmedizinische Vorsorge zu ermöglichen, sofern ein Gesundheitsschaden im Zusammenhang mit der Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden kann (siehe auch AME Wunschvorsorge [25]).