Anhang 2
Methoden zur Auswahl von geeignetem Gehörschutz

1. Allgemeines

Die nachstehend beschriebenen Auswahlmethoden sind Bestandteil von DIN EN 458 "Gehörschützer – Empfehlungen für Auswahl, Einsatz, Pflege und Instandhaltung – Leitfaden".

Es wird der am Ohr wirksame A-bewertete Schalldruckpegel L'A bestimmt, wenn der Gehörschützer getragen wird. Dieser darf den maximal zulässsigen Expositionswert von 85 dB(A) nicht überschreiten.
Ziel der Auswahl ist das Erreichen eines am Ohr des Benutzers wirksamen Restschallpegels von 70 bis 80 dB(A) unter dem Gehörschutz. Zu hohe Schalldämmung (Überprotektion) kann zu Verständigungsproblemen und Isolationsgefühl führen. Um die daraus resultierende Ablehnung der Benutzung zu vermeiden, sollte dies ab einem am Ohr wirksamen Restschallpegel von L'EX,8h< 70 dB(A) überprüft werden.

Am Ohr wirksamer Restschallpegel in dB(A) Am Ohr wirksamer Restspitzenschallpegel in dB(Cpeak) Beurteilung der Schutzwirkung
> 85 > 137 nicht zulässig
> 80 > 135 nicht empfehlenswert
70-80 ≤ 135 empfehlenswert
< 70 - *

*Verständigung und Isolationsgefühl prüfen
Tabelle 1 Schema zur Beurteilung der Schutzwirkung

Zur Festlegung der Expositionspegel ist bei zeitlich schwankenden Geräuschen grundsätzlich der äquivalente Dauerschallpegel LAeq und für die Oktavband-Methode das äquivalente Dauerschallspektrum Loct,eq zugrunde zu legen.

Für die Auswahl des Gehörschützers sollten der nach §§ 2, 3, 4 der LärmVibrations-ArbSchV ermittelte Lärmexpositionspegel und der Spitzenschalldruckpegel verwendet werden. Dabei ist die tatsächliche tägliche Arbeitszeit zu berücksichtigen.

2. Oktavband-Methode

Die Berechnung des am Ohr wirksamen Lärmexpositionspegels nach der Oktavband-Methode erfolgt gemäß folgender Gleichung:

mit: f   Mittenfrequenz des Oktavbandes
  Lf   Oktavband-Schalldruckpegel des Geräusches
  Af   Frequenzbewertung A, entsprechend der DIN EN 60651
  APVf   Wert der angenommenen Schutzwirkung des Gehörschützers

Beispiel:

f/Hz 125 250 500 1000 2000 4000 8000
Lf /dB 84 86 88 97 99 97 96
Af /dB - 16,1 - 8,6 - 3,2 0 + 1,2 + 1,0 - 1,1
Lf +Af /dB 67,9 77,4 84,8 97,0 100,2 98,0 94,9
APVf /dB 7,0 11,4 15,7 19,4 24,4 32,6 29,7
L'Af /dB 60,9 66,0 69,1 77,6 75,8 65,4 65,2

L'A = 80,6 dB ≈ 81 dB

Der unter dem Gehörschützer wirksame Schalldruckpegel ist nach Tabelle 1 als "nicht empfehlenswert, aber zulässig" zu beurteilen. Diese Methode kann nur bei qualifizierter Benutzung von Gehörschützern (siehe Anhang 1, Ziffer 2) verwendet werden.

3. HML-Methode

Die Schalldämmungswerte H, M und L in Verbindung mit den Messergebnissen des A- und C-bewerteten Schalldruckpegels des Geräusches werden dazu benutzt, um die vorhergesagte Minderung des Geräuschpegels (PNR) zu berechnen. Dieser Wert wird dann von dem festgestellten A-bewerteten Schalldruckpegel subtrahiert, um so den bei aufgesetztem Gehörschutz für das Ohr wirksamen, A-bewerteten Schalldruckpegel (L´A) zu bestimmen. Die H-, M-, L-Werte werden von den Herstellern angegeben. Diese Methode wird bei qualifizierter Benutzung verwendet.

3.1 Rechnerische Bestimmung

und

Der Restschallpegel ergibt sich dann aus
A = LA - PNR

Diese Methode kann nur bei qualifizierter Benutzung von Gehörschützern (siehe Anhang 1, Ziffer 2) verwendet werden.

3.2 Graphische Bestimmung

Beispiel:

  1. Schritt: Ermittlung am Arbeitsplatz
    - Geräuschquelle: Hochfrequenz-Handschleifmaschine,
    - Tätigkeit: Putzschleifen von kleinen Pumpengehäusen,
    - LA = 102 dB; LC = 101 dB
  2. Schritt: Vorauswahl eines Gehörschützers, z. B. mit HML-Check Gehörschützer mit H = 33 dB, M = 25 dB, L = 17 dB.
  3. Schritt: Berechnung
    LC - LA = -1 dB.
  4. Schritt: H-, M- und L-Wert in Arbeitsblatt (Abbildung 12) eintragen (wie am Beispiel in Abbildung 11 gezeigt) und Punkte mittels zweier Linien verbinden.
  5. Schritt: LC - LA = -1 dB eintragen.
  6. Schritt: PNR-Wert wie in Bild 11 gezeigt ablesen.
  7. Schritt: Am Ohr wirksamen Pegel berechnen
    A = LA - PNR = 102 dB - 31 dB = 71 dB

Gehörschützer mit:

Abb. 11
Graphische Bestimmung der vorhergesagten Minderung des Geräuschpegels (PNR) nach HML-Methode

Bewertung:
Die Schutzwirkung des ausgewählten Gehörschützers ist nach Tabelle 1 als „empfehlenswert“ einzuschätzen.

Abb. 12
Arbeitsblatt zur graphischen Bestimmung als Vorlage

4. HML-Check

4.1 HML-Check mit Liste der Gehörschützer aus der IFA-Datenbank

Unter Berücksichtigung des gemessenen Schalldruckpegels (LA ) wird durch Hörprobe und unter Beachtung der Tabellen 2 und 3 das Geräusch als mittel- bis hochfrequent oder als tieffrequent eingestuft. Mit der Liste der Gehörschützer aus der IFA-Datenbank wird dann die Gehörschutz-Auswahl getroffen.

Tabelle 2
Geräuschquellen der Geräuschklasse HM - mittel- bis hochfrequent mit LC - LA ≤ 5 dB

Tabelle 3
Geräuschquellen der Geräuschklasse L – überwiegend tieffrequent mit LC - LA > 5 dB

Beispiel:

  1. Schritt: Ermittlung am Arbeitsplatz
  2. Schritt: Bestimmung der Geräuschklasse
    Unter Beachtung der Tabelle 2 wird das Arbeitsgeräusch als mittel- bis hochfrequent (HM) eingestuft.
  3. Schritt: Auswahl geeigneter Gehörschützer mit der Liste der Gehörschützer aus der IFA-Datenbank.

Bewertung:

Der Lärmexpositionspegel liegt innerhalb des empfohlenen Einsatzbereiches des Gehörschützers X, aber außerhalb des Einsatzbereiches des Gehörschützers Y. Der Gehörschützer X ist hinsichtlich der Schalldämmung für den Arbeitsplatz Schmiedehammer geeignet. Der Gehörschützer Y ist für diesen Arbeitsplatz nicht geeignet.

4.2 HML-Check mit bekanntem H-, M- oder L-Wert

  1. Unter Beachtung der Tabellen 2 und 3 wird durch Hörprobe entschieden, ob das Arbeitsgeräusch als mittel- bis hochfrequent (LC - LA ≤ 5 dB) oder tieffrequent (LC - LA > 5 dB) einzustufen ist.
    1. mittel- bis hochfrequentes Geräusch (Geräuschklasse HM)
      L`A = LA - M
    2. tieffrequentes Geräusch (Geräuschklasse L)
      L`A = LA - L

Nach TRLV Lärm gilt:

Der Schalldruckpegel kann der Tages-Lärmexpositionspegel oder der mit der Tätigkeit verbundene äquivalente Dauerschalldruckpegel sein.

Wenn die Geräuschklassen im Laufe einer Arbeitsschicht wechseln, sollte der Tages-Lärmexpositionspegel zur Beurteilung verwendet werden.

Beispiel:
Gehörschützer mit M = 24 dB und L = 18 dB

a) Schleifmaschine LA = 103 dB / entspricht Geräuschklasse HM
L`A = LA - M = 103 dB - 24 dB = 79 dB
Der unter dem Gehörschützer wirksame Schalldruckpegel ist nach Tabelle 1 noch mit "empfehlenswert" zu bewerten.
b) Kompressorenanlage LA = 100 dB / entspricht Geräuschklasse L
L`A = LA - L = 100 dB - 18 dB = 82 dB
Der unter dem Gehörschützer wirksame Schalldruckpegel ist nach Tabelle 1 mit "nicht empfehlenswert, aber zulässig" zu bewerten.

Wird keine Unterweisung zur qualifizierten Benutzung durchgeführt, sind die H-, M-, L-Werte durch Subtraktion der jeweiligen Korrekturwerte Ks an die tatsächliche Schalldämmung in der Praxis anzupassen.

5. Auswahl nach dem Spitzenschalldruckpegel

Die Schalldämmung eines Gehörschützers ist dann als gut zu bewerten, wenn die für das Gehör wirksamen Schalldruckpegel bei getragenem Gehörschützer

  1. pC,peak ≤ 135 dB
    und
  2. 70 dB(A) ≤ L´EX,8h ≤ 80 dB(A)
    sind.

Die Tabellen 4 und 5 zeigen Beispiele für mittel- bis hochfrequente und tieffrequente Impuls-/Schlaggeräusche. Die genannten Werte sind als Richtwerte zu betrachten.

Lärmquelle LpC,peak in dB
Automatik-Gewehr (am Ohr des Schützen) 170
Pistole (am Ohr des Schützen) 160
Schreckschuss-Pistole (am Ohr des Schützen) 157
Feuerwerkskörper (in 2 m Entfernung) 167
Druckluft-Nagler (am Arbeitsplatz) 130
schwere Schmiedehämmer (am Arbeitsplatz) 145
Richtschlag (am Arbeitsplatz) 140
200 t Presse (am Arbeitsplatz) 140
Tafelschere (am Arbeitsplatz); Fallen schwerer Bleche 140

Tabelle 4
Beispiele für hoch- und mittelfrequente Impuls-/Schlaggeräusche (LCFmax - LAFmax ≤ 5 dB)

Lärmquelle LpC,peak in dB
Explosion von 10 kg TNT auf dem Erdboden in 300 m Entfernung 151
Kanone 20 mm (ca. 3 m Entfernung) 162
Kanone 105 mm (ca. 10 m Entfernung) 168
Richtarbeiten an großen Gehäusen aus dünnen Blechen 144

Tabelle 5
Beispiele für tieffrequente Impuls-Geräusche (LCFmax - LAFmax > 5 dB)

Die nachstehende Methode für die Abschätzung einer ausreichenden Schutzwirkung setzt eine qualifizierte Benutzung der Gehörschützer voraus.
Kann diese nicht garantiert werden, sind die entsprechenden Praxisabschläge zu berücksichtigen (siehe Anhang 1, Ziffer 1).

Die Ermittlung von L´pC,peak und L´EX,8h wird mit dem Schalldämmungswert M oder L des Gehörschützers durchgeführt.

L`pC,peak = LpC,peak - M/L
und
EX,8h = LEX,8h - M/L

Beispiel:
Gehörschützer mit M = 19 dB

Schwerer Schmiedehammer LpC,peak = 148 dB(C) und LEX,8h = 101 dB(A) mittel- bis hochfrequent

  1. L`pC,peak = LpC,peak - M = 129 dB ≤ 135 dB(C)
  2. L`EX,8h = LEX,8h - M = 82 dB ≤ 85 dB(A)

Die unter dem Gehörschützer wirksamen Schalldruckpegel L´pC,peak und L´EX,8h können als "nicht empfehlenswert, aber zulässig" bewertet werden. Die Auswahl des Gehörschützers wird hier von dem äquivalenten Dauerschallpegel bestimmt. Nur wenn das Gesamtgeräusch von einzelnen Impulsspitzen (LpC,peak ≥ 135 dB) dominiert wird, d. h. der äquivalente Dauerschallpegel verhältnismäßig klein ist, ist der Spitzenwert des C-Schalldruckpegels für die Auswahl ausschlaggebend.

Bei der Einwirkung von tieffrequenten Spitzenschalldruckpegeln, zum Beispiel Explosionsgeräuschen nach Tabelle 5, treten zusätzliche Leckagen am Gehörschutz aufgrund der Druckwelle auf.

Aus Gründen der Sicherheit wird empfohlen, die Auswahl bei tieffrequenten Spitzenschalldruckpegeln nach der folgenden Methode vorzunehmen:

L`pC,peak = LpC,peak - (L - 5 dB)

(L = Schalldämmungswert für tieffrequente Geräusche)

L`EX,8h = LEX,8h - L

Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die schädigende Wirkung solcher Geräusche geringer ist als die von mittel- und hochfrequenten Geräuschen wie in Tabelle 4.