Jeder 3. Unfall ist ein Sturzunfall
Ein Unfallschwerpunkt ist die Küche
 
 
 
Er fiel rückwärts auf den Kopf. Der nasse und verschmutzte Fußboden in der Küche war für Peter M. zur Rutschbahn geworden, als er eine Kiste mit Lebensmitteln vom Hof hereinbrachte. Monika P. brach sich das Handgelenk. Beim Heraustragen des Mülleimers war sie über eine lose Klinkerplatte auf dem Hof gestolpert. Erika S. fiel über eine Weinkiste. Sie war beim Auffüllen des Buffets einen Schritt nach hinten gegangen.
 
Sturz- und Stolperunfälle gehören zu den Spitzenreitern in der Unfallstatistik im Hotel- und Gaststättengewerbe. Und oftmals haben dabei kleine Ursachen schwerwiegende Folgen, wie die nachfolgenden Zahlen zeigen.
 
Jeder dritte meldepflichtige Unfall in Hotels und Gaststätten ist auf Stolpern und Stürzen zurückzuführen. Der Anteil der Sturz- und Stolperunfälle an den schweren Unfällen macht sogar etwa 70 % - also gute zwei Drittel - aus. Wenn man stürzt oder stolpert, dann ist also die Möglichkeit, sich schwer zu verletzen, hoch.
 
 
Unfallschwerpunkt Küche
 
Viele Sturz- und Stolperunfälle ereignen sich im Küchenbereich. Dort ging in den Jahren 1997, 1998 und 1999 etwa jeder neunte von jährlich rund 20.000 meldepflichtigen Unfällen auf Stürzen oder Stolpern zurück. Das sind also pro Jahr rund 2.400 Sturz- und Stolperunfälle allein in der Küche. 70 der gemeldeten Sturz- und Stolperunfälle pro Jahr waren so schwer, dass die Betroffenen bleibende Schäden davon- trugen. Sie beziehen heute eine Arbeitsunfallrente von der BGN.
 
In zwei Fällen - 1997 und 1998 - kamen Arbeitnehmer durch den Sturz im Küchenbereich zu Tode. Auch im Küchenbereich sind 2 von 3 schweren Unfällen auf Stürzen oder Stolpern zurückzuführen.
 
Unfälle bedeuten nicht nur persönliches Leid für die Betroffenen, sondern auch finanzielle Einbußen für die Betriebe, durch lange Krankschreibungen, Kosten für Ersatzpersonal.
 
 
Immer genügend Bodenhaftung
Interview mit Dr. Christoph Esser, Technischer Aufsichtsbeamter der BGN
 
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report: Sturz- und Stolperunfälle sind ein Unfallschwerpunkt im Hotel- und Gaststättengewerbe. Was sind eigentlich die Ursachen dieser Unfälle?
Dr. Esser: Wenn wir gehen, dann läuft das meist ganz automatisch ab, ohne dass wir uns darauf konzentrieren. Kritisch wird es immer dann, wenn sich plötzlich der Untergrund - also der Fußbodenbelag - ändert und man das zu spät mitbekommt. Dann stellt man sich beim Gehen nicht rechtzeitig darauf ein.
 
report: Also wenn zum Beispiel der Boden an einer Stelle glitschig ist ...
Dr. Esser: Ja. Wichtig ist aber erst einmal, dass der Fußbodenbelag in jedem Arbeitsbereich über eine ausreichende Rutschhemmung (R) verfügt und gegebenenfalls auch noch einen Verdrängungsraum (V) besitzt. Und wenn 2 unterschiedliche Bodenbeläge aneinander grenzen, dürfen sie sich nur um eine Bewertungsgruppe (R) unterscheiden. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dann hat man beim Gehen immer genügend Bodenhaftung. Die Umstellung auf einen anderen Boden ist dann so gering, dass man das unbewusst problemlos schafft. Vorausgesetzt allerdings auch: Man trägt die richtigen Schuhe.  
 
Aber noch einmal zurück zum glitschigen Boden: Die beste Rutschhemmung ersetzt natürlich nicht das Reinigen. Ist etwas ausgelaufen oder übergeschwappt, dann muss das sofort weggeputzt werden. Wichtig sind im Zusammenhang mit Schmutz aber auch bauliche Dinge. Bodeneinläufe und Rinnen sollten so eingebaut sein, dass die Bereiche, wo man geht und steht, möglichst immer schmutzfrei und trocken sind bzw. ohne großen Aufwand sauber gehalten werden können.  
 
report: Gibt es denn bei den Fußböden im Hotel- und Gaststättengewerbe Defizite?  
Dr. Esser: Es kommt leider immer wieder vor, dass ungeeignete Fliesen oder Bodenbeläge verlegt werden. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Entweder die Leute kennen die Anforderungen nicht, oder sie binden die beratenden Fachleute nicht genügend ein. Oder aber sie gehen nur nach gestalterischen Gesichtspunkten vor. Ich habe schon einige Showküchen gesehen, in denen Fliesen verlegt sind, die nur den Anforderungen an den Bodenbelag des Gastraums entsprechen. Im ungünstigsten Fall haben wir hier dann Fliesen mit einer Rutschhemmung R 9 im Kochbereich. Vorgeschrieben ist dort aber R 12 mit einem Verdrängungsraum V 4. Das ist also 3 Bewertungsgruppen zu niedrig.
 
report: Es sind aber doch nicht allein die falschen Fliesen, die für all diese Stürze verantwortlich sind?  
Dr. Esser: Nein. Da gibt es natürlich noch andere Ursachen: Nicht gleich beseitigte Abfälle oder Nässe, aber auch durchgetretene Bodenroste, die nicht sofort ausgetauscht werden. Gegenstände, die im Weg stehen.
 
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report: Wo kann man denn die Anforderungen z. B. an einen Küchenboden erfahren?
Dr. Esser: Anforderungen an Fußböden in Bereichen mit Rutschgefahr, wie z. B. der Küche, sind in den berufsgenossenschaftlichen Regeln branchen- und tätigkeitsbezogen aufgeführt. Außerdem kann man gerne die BGN bei der Planung eines neuen Bodenbelags zu Rate ziehen.  
 
report: Und wenn bereits ein falscher Boden verlegt wurde?
Dr. Esser: Dann prüfen wir, ob es geeignete Maßnahmen gibt, das Sicherheitsniveau des Bodens ausreichend zu verbessern. Gibt es keine Nachbesserungsmöglichkeit, dann muss der Boden ausgetauscht werden.
 
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report: In immer mehr Küchen werden Kunststoffvergussböden verlegt. Was empfehlen Sie, Kunststoff oder Fliesen?
Dr. Esser: Das ist reine Geschmackssache. Wichtig ist, dass der Boden fachgerecht eingebaut ist. Hier gibt es unterschiedliche Anforderungen an den Untergrund. Bei der Nutzschicht - das ist die begehbare Oberfläche - müssen beide Böden natürlich die branchen- und tätigkeitsbezogenen Anforderungen erfüllen. Fliesen haben die erforderlichen Eigenschaften bereits aufgrund ihrer Struktur. Vergussböden erhalten die Eigenschaften dagegen erst beim Einbau. Hier muss also besonders darauf geachtet  
werden, dass beim Einbau die Anforderungen tatsächlich erreicht werden.

aus: report. BGN-Nachrichten für Hotels, Gaststätten und Schausteller