Silo-Kippfahrzeug kippt um

Schwerer Unfall bei der Mehlentladung durch Zeitdruck und Bedienfehler

Beim Abladen von Mehl aus einem Silo-Kippfahrzeug kippte der Silobehälter um und verdrehte das gesamte Fahrzeug um 90 Grad. Der Fahrer, Mitarbeiter eines Mühlenbetriebs, wurde schwer verletzt, und es entstand ein Sachschaden von rund 200.000 EUR. Zeitdruck hatte zu mehreren Bedienfehlern beim Abladen geführt.

von Dirk Pauers | Akzente 01/14

Bauarbeiter auf einer Baustelle direkt neben der Entladestelle der Silofahrzeuge retteten dem Fahrer des umgekippten Silo-Kippfahrzeugs wahrscheinlich das Leben. Sie hatten gesehen, dass der hochgefahrene Silobehälter plötzlich zu kippen begann. Und dann sahen sie, dass der Lkw-Fahrer sich genau auf der Seite des Fahrzeugs aufhielt, zur der der Silobehälter fiel.

[ Dipl.-Chem. Dirk Pauers ist Mitarbeiter der BGN-Prävention und betreut als Aufsichtsperson Mitgliedsbetriebe. ]

Von ihren Rufen aufgeschreckt, versuchte der Fahrer noch, aus der Gefahrenzone herauszulaufen. Er war schon am Heck des Fahrzeugs angekommen, als der Silobehälter ihn doch noch traf. Er wurde zwischen Behälter und Boden eingeklemmt und erlitt schwere Verletzungen an den Beinen.

Mit einer Stunde Verspätung
An diesem Tag war nicht alles glatt gelaufen. Mit einer Stunde Verspätung war der Fahrer des mit 26 Tonnen Mehl beladenen Silo-Kippfahrzeugs an der Abladestelle in einem Nahrungsmittelbetrieb angekommen. Dort hatte der für das Entladen verantwortliche Mitarbeiter gerade entschieden, dass das Silofahrzeug eines anderen Lieferanten beim Entladen vorgezogen werden sollte. Der Fahrer dieses Fahrzeugs wollte gerade damit beginnen, als der Verantwortliche des Nahrungsmittelbetriebs noch einmal umdisponierte. Das gerade vorgefahrene, verspätete Fahrzeug sollte doch zuerst entladen werden. Der Fahrer des anderen Silofahrzeugs, der jetzt warten musste, war genervt und mahnte den verspäteten Fahrer zur Eile.

[ Die wesentlichen Unfallursachen waren:

]

Schnell fuhr dieser sein Fahrzeug an die Abladeposition auf einer befestigten und nicht abschüssigen Asphaltstraße. Er verband zum Potenzialausgleich das Kabel seines Fahrzeugs mit der Potenzialausgleichsklemme der Abladestelle und schloss die Schläuche an. Als das Silo über den fahrzeugeigenen Kompressor mit Druck beaufschlagt war, hob er es mit dem hydraulischen Stempel bei voller Beladung sehr weit an.

Die beiden Stützen am Heck des Fahrzeugs, die vor dem Entladen unbedingt ausgefahren werden müssen, hatte er nicht ausgefahren.

Hier kam einiges zusammen
Bei der Unfalluntersuchung stellte sich heraus, dass mehrere Ursachen den Unfall herbeigeführt haben, wobei die Hauptursache die nicht ausgefahrenen Stützen am Heck des Fahrzeugs waren. Einfluss hatte auch der (Zeit)druck, unter dem der Fahrer aufgrund seiner Verspätung stand. Dieser Druck hatte dazu geführt, dass er wichtige Schritte, die für das sichere Bedienen des Fahrzeugs notwendig sind, außer Acht ließ: Neben dem Ausfahren der Stützen unterließ er auch das langsame, ruckfreie und stufenweise Anheben des Silobehälters. Stattdessen hatte er das Silo bereits zu Beginn der Entladung bei voller Beladung sehr weit hochgefahren — in der Annahme, dass es sich so schneller entleeren würde. Stattdessen bekam der voll beladene Behälter Übergewicht.

In der Betriebsanleitung des Silo-Kippfahrzeugs steht ausdrücklich, dass der Silobehälter jeweils nur so weit angehoben werden darf, dass ein kontinuierlicher Materialfluss am Auslauf oder am Behälterflansch gewährleistet ist. Der Schwerpunkt soll so niedrig wie möglich gehalten werden. Wenn der maximale Kippwinkel erreicht ist, muss der Behälter vollständig entleert sein.

Bei geladenem Mehl gibt es noch etwas zusätzlich zu bedenken: Mehl neigt dazu, teilweise an der Behälterwand anzuhaften. Es fließt nach Anheben des Silos nicht immer nach unten. Und wenn sich dann Mehlanhaftungen schlagartig lösen, kann das zu einer plötzlichen Schwerpunktverlagerung führen.

Der Fahrer fuhr das Silo-Kippfahrzeug erst seit Kurzem. Ein erfahrener Mehlsilofahrer hatte ihn zuvor eine Woche lang eingearbeitet. Zeitdruck und damit verbundener Stress haben am Unfalltag mit dazu geführt, dass er die bekannten Grundregeln einer sicheren Entladung an diesem Tag nicht beherrschte.

CHECKLISTE
  Sicheres Entladen von Silo-Kippfahrzeugen
Die Fahrer von Silo-Kippfahrzeugen sind ausführlich über die Gefahren beim Entladen der Fahrzeuge und über die Schutzmaßnahmen unterwiesen.
DasUnternehmen hat das Abladen ohne ausgefahrene Stützen ausdrücklich verboten.
DasUnternehmen hat auf der Grundlage der Betriebsanleitung des Fahrzeugherstellers eine Betriebsanweisung für das Entladen erstellt. Darin sind auch weitere Gefahren beim Entladen aufgeführt: die Gefährdung durch Druckbeaufschlagung, Explosionsgefährdungen, das Anheben des Silos in der Nähe von elektrischen Freileitungen und das Aufsteigen zu den Domdeckeln.

Autor: Dirk Pauers