Lücken im System

Tödliche Unfälle an Palettierern in BGN-Mitgliedsbetrieben | Schwachstellen in Schutzkonzepten

Innerhalb von 24 Monaten ereigneten sich in BGN-Mitgliedsbetrieben drei tödliche Arbeitsunfälle in und an Palettierern. Experten der BGN-untersuchten die Unfälle und stellten bei den Unfallursachen eine Gemeinsamkeit fest: Das Schutzkonzept für die Palettierer war unzureichend. Die Lücken im Schutzsystem sind jedoch dabei ganz unterschiedlich. Nachfolgend typische Schwachstellen, die unsere Aufsichtspersonen immer wieder in Betrieben vorfinden.

von Karin Carl-Mattarocci und Markus Husemann | Akzente 02/14

Das Palettieren von Produkten gehört in nahezu jedem Produktionsbetrieb zu den notwendigen Prozessschritten. In den meisten Betrieben läuft dieser Schritt heute automatisiert ab. Eine Entwicklung, die bereits in den 1960er Jahren begann. So sind in den Mitgliedsbetrieben der BGN heute Palettierer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bauart in Betrieb. Folglich sind die Schutzkonzepte zur Absicherung der Gefahrbereiche unterschiedlich und leider oft nicht ausreichend.

[ Dipl.-Chem. Karin Carl-Mattarocci leitet das Sachgebiet Betriebsbetreuung der BGN. Dipl.-Ing. Markus Husemann ist Mitarbeiter der BGN-Prävention. Beide sind Aufsichtspersonen und betreuen Mitgliedsbetriebe. ]

Nicht allen betrieblichen Akteuren ist bewusst, dass bei ihrer Anlage unter Umständen Handlungsbedarf besteht, das Schutzsystem auf Schwachstellen zu überprüfen. Gewissheit bringt eine systematische Betrachtung des Arbeitssystems Palettierer. Werden Lücken im System festgestellt, müssen sie umgehend beseitigt werden.

TOD IM PALETTIERER

Unfall 1: Einstieg durch Lücke im Zaun
Der Beschäftigte gelangte durch eine Lücke unter dem Förderer in den Gefahrbereich des Palettierers. Es wird vermutet, dass er am Pappenstapel für die Zwischenlagen eine Störung beseitigen wollte. Dabei ist er vom Kartongreifer des Roboters auf den Pappenstapel gedrückt worden. Er wurde schwer am Kopf verletzt und blieb bewusstlos liegen.
Erst bei der nächsten Störung im Palettierer fand ihn ein Kollege. Der Mann war tot.

Unfall 2: Parken im Muting
Um eine Störung in der Palettieranlage zu beseitigen, stieg der Beschäftigte über den Vollpalettenauslauf in die Maschine ein. Die Sicherheitslichtschranken waren zu diesem Zeitpunkt in der Überbrückungsphase (Muting).
Hinzu kam, dass der Abstand zwischen der Sicherheitslichtschranke und der Vollgutpalette zu groß war. Als der Mann die Störung beseitigen wollte, belegte er mit den Füßen die Funktionslichtschranken. Daraufhin fuhr der Lagentisch nach unten und quetschte den Mann zu Tode.

Unfall 3: Manipulierter Sicherheitsschalter
An einem Lagenpalettierer war eine Störung aufgetreten. Eine Palette war nicht richtig positioniert. Deshalb begab sich ein Beschäftigter bei vermeintlich stehender Anlage in den Schutzbereich des Palettierers, wo er die Palette von Hand ausrichtete. Der Sicherheitsschalter der Zugangstür war zu diesem Zeitpunkt manipuliert.
Als die Störung behoben war, fuhr der Lagenpalettierer, der über der verklemmten Palette zum Stillstand gekommen war, plötzlich herab. Der Beschäftigte wurde vom herabfahrenden Palettierer zu Boden gedrückt. Dabei erfasste er den Kopf des Mannes und klemmte ihn ein. In dieser Position hob der Palettierer den Mann hoch und fuhr in die Ausgangsstellung der Vorpalettierung zurück. An dieser Stelle fanden ihn seine Kollegen tot auf.

Störungsbeseitigung ist Anlass
Bei den drei tödlichen Unfällen und auch bei der Untersuchung weiterer Unfälle in und an Palettierern hat sich gezeigt: Es gab jeweils einen konkreten Anlass, den Gefahrbereich des Palettierers zu betreten. In der Regel geht es darum, eine Störung zu beseitigen, und zwar

Ein weiterer Anlass, regelmäßig den Gefahrbereich des Palettierers zu betreten, ist die Kennzeichnung und Dekoration der Palette. Dies gilt immer dann, wenn Kunden Sonderanforderungen stellen.

[ Wenn Sie Fragen zur Sicherheit von Palettierern oder zum Schutzkonzept haben, rufen Sie uns an. Die BGN berät Sie gerne: 0621 4456-3517 ]

CHECKLISTE „SICHERHEIT VON PALETTIERANLAGEN“
  JA NEIN (Handlungsbedarf )
Alle schlitzförmigen Öffnungen (Lücken) in feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen, z. B. Zäunen, sind maximal 180 mm groß.*)    
Der seitliche Abstand zwischen Sicherheitslichtschranke und Palettenkontur beträgt maximal 230 mm.*    
Die Palette wartet nicht in der Sicherheitslichtschranke.    
Die Trennung der Sicherheitskreise ist in beide Richtungen ausgeführt.    
Positionsschalter oder Sensoren werden in regelmäßigen Abständen auf einwandfreien äußeren Zustand und einwandfreie Funktion überprüft.    

* Anforderungen an andere Öffnungen können der EN 415-10 Sicherheit von Verpackungsmaschinen — Allgemeine Anforderungen entnommen werden.

Eine umfangreiche Checkliste zur Überprüfung der Sicherheitsanforderungen an Palettierer finden Sie im Internet:
www.bgn.de, Shortlink = 1398

Häufige Unterbrechungen des normalen Ablaufes führen zur Verminderung der Leistung der gesamten Verpackungslinie. Eine Situation, die die Beschäftigten als echten oder vermeintlichen Stress erleben. Und dann besteht die Gefahr, dass Schutzmaßnahmen umgangen oder manipuliert werden. Schwachstellen im Schutzkonzept werden genutzt, um die Schutzmaßnahmen und Schutzeinrichtungen zu überwinden.

Schwachstellen im Schutzsystem
Typische Schwachstellen im Schutzsystem (siehe auch Checkliste oben) sind:

ABSICHERUNG AN LASTÜBERGABESTELLEN

An der Lastübergabestelle wird die Sicherheitslichtschranke (BWS = berührungslos wirkende Schutzeinrichtung) zur Absicherung des Gefahrbereiches beim Ein- ­und Ausfahren einer Palette bestimmungsgemäß überbrückt. Die Palette muss während des Ein­- und Ausfahrens die Schutzfunktion übernehmen. Daher dürfen die gezeigten Abstände nicht überschritten werden, damit der Zugang eines Bedieners zum Gefahrbereich sicher verhindert wird.

Autor: Karin Carl-Mattarocci / Markus Husemann