Mal früh, mal spät, mal nachts

Mit Schichtarbeit leben: Wie Arbeitgeber und Beschäftigte die Belastungen von Wechsel- und Nachtschichten verringern können

von Dr. Christa Hilmes
aus Akzente | Magazin für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Rehabilitation

Getränkeabfüllung bei Nacht

Millionen Arbeitnehmer arbeiten in einer 24-Stunden-Arbeitswelt. Sie sind in wechselnden Schichten zu unterschiedlichen Zeiten im Einsatz und ihre innere Uhr gerät dabei aus dem Takt. Das erhöht die Unfallgefahr und belastet Gesundheit und Privatleben. Moderne Präventionsansätze zeigen Möglichkeiten zur guten und gesundheitsbewussten Gestaltung von Schichtarbeit auf.

Zu später oder ganz früher Stunde, wenn die meisten von uns fest schlafen, müssen Millionen Arbeitnehmer hellwach sein. Sie bedienen Maschinen, sie überwachen technische Abläufe, reinigen Gebäude, transportieren Waren und vieles mehr. Das Problem: Sie arbeiten permanent gegen ihre innere Uhr. Besonders belastend ist die Wechselschicht in Verbindung mit Nachtschicht.

Schichtarbeit und Gesundheit
Schichtarbeit ist durch folgende besondere Belastungen gekennzeichnet:

Schichtarbeiter, insbesondere Nachtschichtarbeiter, leiden oft unter Schlafstörungen, da ihr Tagesrhythmus weiterhin zu einem großen Teil von Faktoren wie Tageslicht sowie sozialen und familiären Kontakten bestimmt wird. Schlafstörungen und damit verbundene Schlafdefizite aber haben auf Dauer Auswirkungen auf die Gesundheit. Sie können zu einer Reihe unspezifischer gesundheitlicher Effekte wie u. a. Konzentrationsschwäche, Nervosität, vorzeitige Ermüdung, Appetitlosigkeit und Magenbeschwerden führen.

Verschiedene epidemiologische Studien diskutieren, ob Schichtarbeit an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brustkrebs und psychischen Störungen beteiligt ist. Eine weitere Auswirkung von Schichtarbeit: Die Familie, die Beziehungen zu anderen Menschen oder die Freizeitgestaltung können darunter leiden.

Nicht jeder empfindet Schichtarbeit als gleichermaßen belastend oder unangenehm. Nicht jeder reagiert darauf mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Biorhythmus des Menschen und damit auch die Toleranz für Schichtarbeit werden vom sogenannten Chronotyp beeinflusst. Man unterscheidet zwischen den drei Chronotypen Frühaufsteher (Lerche, Morgenmensch), Normaltyp und Spätaufsteher (Eule, Abendmensch). Sie sind zu unterschiedlichen Tageszeiten besonders leistungs fähig.

Schichtarbeit und Unfallrisiko
Branchenübergreifende Studien weisen übereinstimmend darauf hin, dass unter sonst vergleichbaren Bedingungen folgende Zusammenhänge zwischen Schichtarbeit und Arbeitsunfällen vorliegen (nachzulesen im DGUV Report 1/2012, siehe Kasten S. 6):

[Dr. Christa Hilmes ist Dipl.-Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie und hat im Fachgebiet Fleischtechnologie promoviert. Sie ist Mitarbeiterin der BGN-Prävention. ]

Es kann als ausreichend gesichert gelten, dass die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit das Unfallrisiko beeinflussen. In den BGN-Mitgliedsbetrieben ereignen sich 13 Prozent der meldepflichtigen Unfälle in der Nacht zwischen 23 und 6 Uhr.

Zwei Mitarbeiter in der Nachtschicht

PRAXISHILFEN
Eine aktuelle Zusammenstellung von Empfehlungen und Handlungsanleitungen zur Schichtarbeit findet man auf den Internetseiten der BGN. Sie zeigen auf, wie man Schichtarbeit besser gestalten und Belastungen durch Schichtarbeit reduzieren kann.
⇒ Online-Liste: www.bgn.de, Shortlink = 1593
Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten (DGUV Report 1/2012) mit folgenden Inhalten: rechtliche Rahmenbedingungen, Charakteristika und Häufigkeit von Schichtarbeit; wissenschaftliche Erkenntnisse zu medizinischen und sozialen Effekten der Schichtarbeit und ihre Auswirkungen auf Arbeitsunfälle anhand von Literaturanalysen; Empfehlungen zum Umgang mit Schichtarbeit. ⇒ PDF (146 Seiten): www.bgn.de, Shortlink = 1328

Schichtarbeit – ein Thema für die Gefährdungsbeurteilung
Nachtund Schichtarbeit müssen in der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Dabei geht es darum zu ermitteln, mit welchen Maßnahmen der Betrieb eine Gesundheitsgefährdung durch Schichtarbeit reduzieren und die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten fördern kann. Mit Blick auf die demographische Entwicklung in der Arbeitswelt wächst die Notwendigkeit präventiver Ansätze und Maßnahmen für eine gute und gesundheitsbewusste Gestaltung der Schichtarbeit im Betrieb.

[ In den bgn- Mitgliedsbetrieben ereignen sich 13 Prozent der meldepflichtigen Unfälle in der Nacht zwischen 23 und 6 Uhr. ]

Wie aber geht gut gestaltete Schichtarbeit? Das Arbeitszeitgesetz fordert, dass der Betrieb die Arbeitszeit der Nachtund Schichtarbeitnehmer nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gestalten muss. Eine Reihe solcher arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen enthält der DGUV Report 1/2012 (siehe Kasten links). Die Empfehlungen beziehen sich zum einen auf die organisatorischen Aspekte der Schichtarbeit wie Schichtlänge oder die Abfolge von Schichten – also Faktoren, auf die der Betrieb Einfluss nehmen kann. Zum anderen sind es Empfehlungen, was der Schichtarbeiter selbst tun kann, um gesund zu bleiben.

Schichtarbeit gut gestalten
Bei der Schichtplangestaltung sollte der Betrieb generell versuchen, die betrieblichen Notwendigkeiten, die arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen und die Präferenzen der Belegschaft unter einen Hut zu bekommen. In der Praxis kann es hierbei dann zu Problemen kommen, wenn z. B. die Präferenzen der meist jungen Mitarbeiter entgegengesetzt zu den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.

Dagegen sind nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand in der Arbeitswissenschaft folgende Kriterien allgemein akzeptiert:

Allgemeine Gestaltungsregeln

Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmers

Mitgestaltung des Betriebsrats
Die Festlegung und Verteilung der täglichen Arbeitszeit sowie die Durchführung und Festlegung der einzelnen Schichtzeiten ist mit dem Betriebsrat abzustimmen. Konkret gefragt ist der Betriebsrat u. a. bei der Einführung von Schichtarbeit, bei deren Durchführung und auch bei der Festlegung der einzelnen Schichtpläne und der zeitlichen Zuordnung der Beschäftigten zu einzelnen Schichtgruppen.

Gestaltungsmöglichkeiten des Schichtarbeiters
Um die höheren Beanspruchungen durch Schichtarbeit zu mildern, müssen sich Schichtarbeiter insbesondere mit Nacht- oder Wechselschichten besonders gesundheitsbewusst verhalten. Selbst Einfluss nehmen können sie auf Faktoren wie Schlaf, Ernährung und Bewegung/Freizeitverhalten. Sich gesundheitsbewusst verhalten umfasst:

Schichtarbeit – ein Aufgabengebiet für Sicherheitsfachkraft und Betriebsarzt
Nach dguv Vorschrift 2 gilt Schichtarbeit mit Nacht arbeitsanteilen als eine betriebsspezifische Unfallund Gesundheitsgefahr. Sie stellt somit ein Auslösekriterium für eine betriebsspezifische Betreuung durch Sicherheitsfachkraft und Betriebsarzt dar. Zu deren Aufgaben gehört:

Auch in Kleinbetrieben mit Unternehmermodell ist Schichtarbeit ein Anlass für die bedarfsorientierte Betreuung durch einen Betriebsarzt.

Schmuckbild
BGN-SEMINAR „SCHICHTARBEIT“

Ziel dieses BGN-Fortbildungsseminars ist es, die Belastungen und Auswirkungen von Schichtarbeit auf den Menschen darzustellen und gesundheitsgerechte Lösungen aufzuzeigen. Es richtet sich an Führungskräfte, Sicherheitsfachkräfte, Betriebsräte und Personalverantwortliche.

Seminar „Schichtarbeit: Gegen die innere Uhr – wenn die Nacht zum Tag wird“

  • 14.–16. November 2018
    im BGN-Ausbildungszentrum, Mannheim

Mehr Infos und Anmeldung: www.bgn.de, Shortlink = 1446

 

Autor: Hilmes