In Brennereien werden die Gefährdungen durch Alkoholdämpfe oft unterschätzt
von Dirk Pauers und Dr. Markus Wenzel
In mehreren zehntausend Betrieben werden hierzulande Alkohol und Spirituosen erzeugt, wobei mit hochprozentigen Alkohol/Wasser-Gemischen umgegangen wird. Aus Sicht des Brand- und Explosionsschutzes lassen sich diese Alkohol (Ethanol) verarbeitenden Betriebe in zwei Gruppen aufteilen:
In den Betrieben der Gruppe 1 sind im flüssigen Alkohol/Wasser-Gemisch die Alkohol-Moleküle von anderen Alkohol- und Wasser-Molekülen umgeben. Eine Reaktion mit Luftsauerstoff ist höchstens an der Grenzfläche von Flüssigkeit und Luft möglich – meistens in Form eines Brandes.
Explosionsfähige Alkoholdämpfe möglich
Anders in den Betrieben der Gruppe 2: Hier werden
bei der Verdampfung von Alkohol explosionsfähige
Gemische mit Luft erzeugt. Denn im dampfförmigen
Zustand sind die Alkohol-Moleküle
von den Sauerstoff-Molekülen
der Luft – und damit unmittelbar
von einem potenziellen Reaktionspartner –
umgeben. Dann genügt bereits ein winziger Funken
als Initialzünder und das gesamte Volumen
des Alkohol/Luft-Gemischs
verbrennt schlagartig.
Es kommt zur Explosion mit einem Flammenball
und mitunter zu Explosionsdrücken, denen selbst
Betonwände nicht standhalten.
Zur Zündung reicht bereits die verschwindend kleine Funkenenergie von 0,3 Millijoule (mJ) aus. Zum Vergleich: Geht man über einen Teppichboden und löst an einer Türklinke eine elektrostatische Entladung aus, hat solch ein Funke typischerweise bereits eine Energie von 10 mJ.
Aus den sicherheitstechnischen Kenngrößen von Ethanol ist zudem zu entnehmen, dass bereits 60 g reiner Alkohol 1.000 Liter explosionsfähige Atmosphäre in Form von Alkoholdampf/Luft-Gemischen erzeugen können. Bereits 1 % davon, also 10 Liter zusammenhängende Ex-Atmosphäre, sind gefährlich, wenn sie z. B. in direkter Nähe von Personen gezündet werden. Das zeigt: In der betrieblichen Praxis gibt es eigentlich keine ungefährlichen Mengen.
Gefahrenpotenzial von Alkoholdämpfen
oft unterschätzt
Vielleicht ist es die Unkenntnis über diese geringen
Mengenbzw.
Energieschwellen, die zu einer offensichtlich
weit verbreiteten Unterschätzung des Gefahrenpotenzials
von Alkoholdämpfen führt. Denn
immer wieder kommt es zu Explosionen und Bränden
mit Totalschäden an Anlagen und Gebäuden,
mit Schwerverletzten und – schaut man einmal
über die Landesgrenzen hinaus – mit Toten. Die
Unternehmer staunen insbesondere über das Ausmaß
der Druckwirkungen einer Alkoholdampf-Explosion.
Explosionsschutzmaßnahmen
Explosionen in Brennereien lassen sich verhindern,
wenn der Unternehmer folgende Explosionsschutzmaßnahmen
durchführt.
Alle Betriebsund Fehlerzustände an Anlagen, bei denen Alkoholdämpfe in gefährlichen Mengen in die Betriebsräume gelangen, müssen unbedingt vermieden werden. Denn dort können sie jederzeit gezündet werden – z. B. durch nicht explosionsgeschützte Betriebsmittel.
Die möglichen Gefahren müssen in einer individuell auf die jeweilige Anlage abgestimmten Gefährdungsbeurteilung ermittelt und in einem Explosionsschutzdokument beschrieben werden. Hierbei sind auch eventuell riskante Reinigungsprozeduren einzubeziehen, beispielsweise der Eintrag alkoholhaltiger Reinigungsmischungen in noch heiße Destillationsanlagen.
AUF EINEN BLICK: EXSCHUTZ IN BRENNEREIEN |
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Der unbemerkte Ausfall der Kühlung an Brennanlagen und der nachfolgende Austritt von Alkoholdämpfen haben schon mehrmals schwere Explosionen ausgelöst. Deshalb muss die Wirksamkeit der Kühlung unbedingt durch technische Sicherheitsmaßnahmen überwacht werden. Der Hinweis der Hersteller, dass die Anlagen ständig von Bedienpersonal zu überwachen sind, reicht angesichts des Risikos und des Unfallgeschehens als einzige Maßnahme keinesfalls aus.
Anlagen, bei denen die Kühlung und eine ausreichende Kondensation nicht durch technische Maßnahmen abgesichert sind, entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben (Maschinenrichtlinie und Produktsicherheitsgesetz) und sind deshalb mangelhaft.
[ Der unbemerkte Ausfall der Kühlung an Brennanlagen und der nachfolgende Austritt von Alkoholdämpfen haben schon mehrmals schwere Explosionen ausgelöst. ]