Konkrete Hilfen für die Regalprüfung nach DIN EN 15635
von Dietmar Scharmentke
aus Akzente | Magazin für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Rehabilitation
Regalprüfungen heute wichtiger denn je
Stützen und Traversen von Regalen sind klassische Anstoßflächen beim Ein- und Auslagern von Paletten. Beschädigungen bleiben nicht aus und stellen potenzielle Gefahren für die Statik des Regals dar. Deshalb müssen Regale regelmäßig kontrolliert und eventuelle Beschädigungen beurteilt werden. Konkrete Hilfen zur Regalprüfung und Schadensbewertung enthält die europäische Norm für Regalbetreiber DIN EN 15635*. Ein Einblick in die Vorgehensweise.
Ein Hochregal war eingeknickt, nachdem es beim Zusammenstoß zweier Gabelstapler stark beschädigt worden war. Als man tags darauf den Schaden begutachten wollte, stürzten alle 16 in der Halle befindlichen Regale mit einer Gesamtlagermenge von über 5.000 Tonnen in einem Dominoeffekt ein. Sie begruben 5 Menschen unter sich. Ein Firmenmitarbeiter und ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks konnten nur noch tot geborgen werden. Dieser verheerende Einsturz eines Hochregals im Lager eines Papiergroßhandels in Sachsen-Anhalt vor 4 Jahren zeigt, dass sich in Regallagern schwere Unfälle ereignen können. Kontrollen und Prüfungen in festgelegten Abständen sind laut Betriebssicherheitsverordnung Pflicht (siehe Kasten) und aus einem weiteren Grund wichtig.
DIE RECHTSLAGE |
Regale sind Arbeitsmittel und unterliegen den Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung. Darin heißt es: "Unterliegen Arbeitsmittel Schäden verursachenden Einflüssen, die zu gefährlichen Situationen führen können, hat der Arbeitgeber die Arbeitsmittel entsprechend den nach § 3 Abs. 3 ermittelten Fristen durch hierzu befähigte Personen prüfen zu lassen." Schäden an Regalen sind insbesondere durch das Be- und Entladen mit Hilfe eines Flurförderzeugs, z. B. mit einem Gabelstapler, zu erwarten und kommen auch in der Praxis immer noch häufig vor. |
Regalprüfungen heute wichtiger denn je
Warum sorgfältige Prüfungen von Regalen heute besonders wichtig sind, wird bei einem Blick in die Herstellernorm DIN EN
15512 "Ortsfeste Regalsysteme aus Stahl – Verstellbare Palettenregale – Grundlagen der statischen Bemessung (2010)"
deutlich. Darin nämlich sind die Sicherheitsfaktoren für Palettenregale gegenüber den ursprünglich in Deutschland
angesetzten Werten erheblich verringert. Außerdem sollte man als Regalbetreiber wissen, dass bei der Bemessung von
Regalen und Regalsystemen in der Regel keine besonderen Einwirkungen berücksichtigt werden.
Grundlage für die Auslegung von Regalen sind üblicherweise die normalen Belastungen, die bei sorgfältigem Ein- und
Auslagern unter Verwendung des richtigen Flurförderzeugs durch geschultes Personal entstehen. Die Gefahr des Anfahrens
von Stützen und daraus entstehende mögliche Belastungen bleiben bei dieser Betrachtung völlig unberücksichtigt. Etwaige
Verstärkungen der Regalkonstruktion damit ebenso. Und so kann der leider immer noch häufig vorkommende Sonderfall "
Anfahren einer Regalstütze" unmittelbar zu einer gefährlichen Situation führen. Sofern also keine besonderen
Einwirkungen bei der Regalauslegung angesetzt wurden, empfiehlt es sich als Präventionsmaßnahme,
Stützenschutzeinrichtungen, beispielsweise Verstärkungselemente an den Stützen, anzubringen.
CHECKLISTE | ||
Kontrolle und Inspektion der Statik von Palettenregalen | ||
Gibt es Schäden am Regal, speziell an Stützen, Trägern und Verbänden? | JA | NEIN |
Stehen die Stützen lotrecht? | JA | NEIN |
Wie ist der Zustand aller Bauteile, z. B. hinsichtlich Träger- und Stützensicherungen? | ||
Ist das Regal nach Montageanleitung gebaut? | JA | NEIN |
Gibt es Risse in Schweißnähten oder im Material? | JA | NEIN |
Wie ist der Zustand des Gebäudebodens? | ||
Welche Lage haben die Lasten auf der Palette? | ||
Sind Belastungs- und Informationshinweise vorhanden, u. a. max. zulässiges Gewicht der Ladeeinheit und max. zulässige Feldlast? | JA | NEIN |
Ist das Regal überladen? | JA | NEIN |
Regalprüfung konkret
Was genau an Regalen geprüft werden muss und wer dazu befähigt ist, ist seit 2009 in der DIN EN 15635 geregelt. Die Norm
richtet sich an die Betreiber von Regalen – und nicht wie sonst üblich an die Hersteller. Sie stellt damit ein Novum im
europäischen Normenwesen dar und liefert den Betreibern und Prüfern konkrete Angaben und Regelungen zur Regalprüfung.
Vermutlich ist es der Übersetzung geschuldet, dass die deutsche Fassung der Norm einige für Arbeitsschützer
missverständliche Begriffe enthält. So ist im Betrieb ein Beauftragter für Lagersicherheit zu benennen, der im weiteren
Normentext als Sicherheitsbeauftragter bezeichnet wird. Hiermit ist aber nicht der Sicherheitsbeauftragte nach § 22 SGB
VII bzw. § 20 BGV A1 gemeint. Im Abschnitt "Experteninspektionen" fordert die Norm die Inspektion durch eine "
fachkundige Person". Hierbei dürfte eine "befähigte Person" gemäß der gleichnamigen Technischen Regel für
Betriebssicherheit TRBS 1203 gemeint sein. Sie verfügt aufgrund ihrer Berufsausbildung, ihrer Berufserfahrung und ihrer
zeitnahen beruflichen Tätigkeit über die Fähigkeit, den arbeitssicheren Zustand von Regalen prüfen zu können.
Bild links: Schadensmessverfahren an Stützen und Verbänden
Bild rechts: Rote Gefahrenstufe
SCHÄDEN AN STÜTZEN UND VERBÄNDEN ERMITTELN |
So ermitteln und bewerten Sie das Ausmaß von Beschädigungen an Stützen und Diagonal- bzw.
Horizontalverbänden und legen den Handlungsbedarf fest: Legen Sie anhand der ermittelten Abweichungen (in mm) die Gefahrenstufe fest (siehe Tabelle). Die Norm unterscheidet in Abhängigkeit von der Schwere des Schadens zwischen einer grünen, orangefarbenen und roten Gefahrenstufe. |
Prüffristen & Prüfumfänge
Bei den Prüfungen unterscheidet die DIN EN 15635 zwischen Sichtkontrollen bzw. Inspektionen und mindestens einmal
jährlich stattfindenden umfangreichen Experteninspektionen. Sichtkontrollen bzw. Inspektionen sind wöchentlich
durchzuführen oder in Abständen, die auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung (die Norm benutzt den Begriff
Risikoanalyse) festgelegt wurden.
Sichtkontrollen nimmt sinnvollerweise ein Mitarbeiter des Betriebs vor, z.B. der Beauftragte für Lagersicherheit. Als
befähigte Person für die Experteninspektion bieten sich erfahrene Monteure der Regalhersteller und Wartungsfirmen an,
aber auch entsprechend qualifiziertes Personal des Betreibers. Inhaltlich unterscheiden sich die Prüfungen grundsätzlich
nicht. Allerdings können bei den Sichtkontrollen die Prüfumfänge auf die Teile des Regals beschränkt werden, bei denen
die häufigsten Schäden bzw. Mängel zu erwarten sind. Siehe auch Checkliste "Kontrolle und Inspektion der Statik von
Palettenregalen" Seite 1.
Wie das Ausmaß von Beschädigungen an Stützen und Diagonal- bzw. Horizontalverbänden ermittelt werden kann und welcher
Handlungsbedarf jeweils besteht, ist auf Seite 2 erläutert.
Ein Schaden an einer Regalstütze oder einem Verband ist jedoch in vielen Fällen mit einer stärkeren Verformung verbunden.
Das bedeutet: Er fällt in die rote Gefahrenstufe. Das beschädigte Bauteil muss umgehend ausgetauscht werden. Deshalb
ist vorbeugend zumindest an den Eckbereichen von Regalen ein mindestens 400 mm hoher Anfahrschutz anzubringen (DIN EN
15512). Der Anfahrschutz darf nicht mit den Regalstützen verbunden sein.
GEFAHRENSTUFEN ERMITTELN | |||
Einstufung nach Beschädigung und Grenzwerten Abweichung a in mm bezogen auf Länge des Lineals von 1 Meter) | |||
Beschädigung | Grenzwerte | ||
grüne Gefahrenstufe | orangefarbene Gefahrenstufe | rote Gefahrenstufe | |
in Richtung der Rahmen aussteifung | a < 3 | 3 < a < 6 | a ≥ 6 |
an einer Stütze in Gassenrichtung | a < 5 | 5 < a < 10 | a ≥ 10 |
an Verbänden | a < 10 | 10 < a < 20 | a ≥ 20 |
HANDLUNGSBEDARF |
grüne Gefahrenstufe Die beschädigten Bauteile sind lediglich zu überwachen. Sie werden als sicher und betriebsfähig betrachtet.
Gefährliche Beschädigung, die behoben werden muss: falls Instandsetzung bzw. Austausch des beschädigten Bauteils nicht innerhalb von 4 Wochen nach erster Kennzeichnung erfolgte, Einstufung in rote Gefahrenstufe vornehmen.
Kritische Beschädigung, die umgehendes Handeln erfordert.
|