Tödliches Manöver

Unfall beim Hochfahren auf Staplerzinken | Mögliche rechtliche Folgen

Kurz mal helfen – das schlägt man einem Kollegen nicht ab. Es gibt jedoch Fälle, da ist weder kollegiale Hilfe noch das Bitten darum angesagt: Wenn etwas verboten ist. Verboten ist auch das Hochfahren einer auf den blanken Gabelstaplerzinken stehenden Person. Im nachfolgenden Fall kostete ein ebensolches Manöver in einem Getränkebetrieb einen Mitarbeiter das Leben. Ein anderer war mit rechtlichen Konsequenzen konfrontiert.

von Karin Carl-Mattarocci

Der Lkw-Fahrer stand in ca. 2,5 m Höhe auf den Zinken eines Gabelstaplers, der an die geschlossene Ladebordwand seines Lkw herangefahren war. Dort oben löste er einen Spanngurt, mit dem die Ladebordwand des Lkw nach einem Hydraulikschaden (geplatzter Hydraulikschlauch) provisorisch festgebunden war. Im nächsten Moment fiel der Lkw-Fahrer von den hochgefahrenen Zinken herunter und schlug mit dem Rücken auf den Boden auf. Ein Augenzeuge konnte später nicht mehr sagen, ob zuerst die Ladebordwand herunterkippte oder ob der Staplerfahrer zuerst die Staplerzinken herunterfuhr. Der Lkw-Fahrer erlitt bei dem Sturz tödliche Verletzungen.

Wie es zu dieser Situation kam
Der Lkw-Fahrer war mit dem Getränkeauslieferungs- Lkw im Außeneinsatz, als sich die Ladebordwand aufgrund eines Defekts am Hydraulikschlauch nicht mehr schließen ließ. Daraufhin hatte er sich damit beholfen, die Ladebordwand mit Hilfe eines Staplers hochzuklappen und in dieser Position mit einem Spanngurt zu sichern. Der telefonisch informierte technische Betriebsleiter hatte ihn angewiesen, den Hydraulikschlauch vor Ort in der nächsten Werkstatt austauschen zu lassen. Falls dies nicht möglich sei, sollte der Lkw- Fahrer mit dem defekten Lkw in den Betrieb zurückkommen und für die weitere Tour ein anderes, dort geparktes Fahrzeug benutzen.

Der Lkw-Fahrer war mit der provisorisch geschlossenen Ladebordwand zurück in den Betrieb gekehrt. Statt den Lkw zu wechseln, hatte er einen Kollegen gebeten, ihm kurz zu helfen. Daraufhin hatte der Kollege einen Gabelstapler aus der Halle geholt und den auf den Staplerzinken stehenden Lkw- Fahrer hochgefahren.

Mögliche Rechtliche Folgen Nach Unfällen

Die Folgen für den Staplerfahrer
Der ausgebildete Staplerfahrer hätte auf einen sicheren Standplatz des Kollegen, z. B. in einer geeigneten Arbeitsbühne, bestehen müssen. Stattdessen hat er sich über das Verbot, Personen auf Staplerzinken hochzufahren, hinweggesetzt. Deshalb ermittelte die Staatsanwaltschaft. Das Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den Staplerfahrer wurde nach Zahlung einer Geldbuße von i.200 eur eingestellt. Der Staplerfahrer kam in diesem Fall also mit einer Ordnungswidrigkeit davon. Aber nicht jeder Fall geht für den Staplerfahrer so glimpflich aus. Die möglichen rechtlichen Konsequenzen sind im Kasten dargelegt.

Auch die bgn prüfte, ob grobe Fahrlässigkeit des Staplerfahrers vorlag, und eröffnete ein Regressverfahren. Das heißt, sie wollte einen Teil der aufgewendeten Kosten von ihm erstattet haben. Die bgn kam jedoch zum Ergebnis, dass von einem gewissen Mitverschulden sowie von einer eventuellen Weisungsbefugnis des tödlich verunglückten Lkw-Fahrers gegenüber dem Staplerfahrer auszugehen ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie unter Beachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse wurde das Verfahren dann eingestellt.

Was auch noch mit zum Unfall führte
Aufgrund des Hydraulikschadens musste die Ladebordwand per Stapler gewaltsam geschlossen werden. Für einen solchen Fall enthält die Bedienungs- und Wartungsanleitung des Herstellers der Ladebordwand Sicherheitshinweise. Außerdem ist darin ein Aufkleber enthalten, der bei Störungen an der Bordwand angebracht werden muss. Der Aufkleber hat folgende Aufschrift: »Achtung! Bordwand wurde mit Fremdhilfe geschlossen. Zylinder sind nicht vollständig mit Öl gefüllt. Sicherheitseinrichtungen, die ein schlagartiges Bewegen verhindern, sind damit außer Funktion. Öffnen nur mit Kran oder Stapler erlaubt! – Unfallgefahr«. Der Lkw-Fahrer hat Sicherheitshinweise und Aufkleber nicht beachtet.

Hydraulikschlauchleitungen sind Verschleißteile. Nach § i0 der Betriebssicherheitsverordnung muss der Betreiber von Arbeitsmitteln, die Schäden verursachenden Einflüssen unterliegen, die zu gefährlichen Situationen führen können, diese regelmäßig von einer befähigten Person prüfen lassen. Die Prüffristen legt er im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung fest.

Gabelstabler

SCHWERWIEGENDE KONSEQUENZEN FÜR LEICHTFERTIGE TATEN

Leichtfertige Handlungen können schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, wenn es dadurch zum Unfall kommt. Nachfolgend grundsätzliche Aussagen aus den einzelnen Rechtsgebieten, die bei Verstößen wie dem Hochfahren einer Person auf den Gabelstaplerzinken greifen können.

Strafrecht
Bestraft wird, wer durch fahrlässiges Tun oder fahrlässig pflichtwidriges Unterlassen die Verletzung oder den Tod eines Menschen verschuldet hat. Staatsanwaltliche Ermittlungen erfolgen immer dann, wenn mutmaßlich ein öffentliches Interesse daran besteht. Das ist in der Regel bei schwereren und tödlichen Unfällen der Fall. Das Strafmaß bemisst sich wie folgt:

  • Fahrlässige Körperverletzung nach § 229 Strafgesetzbuch: bis zu 3 Jahren Freiheitsentzug
  • Fahrlässige Tötung nach § 222 Strafgesetzbuch: bis zu 5 Jahren Freiheitsentzug

Ordnungswidrigkeitenrecht Ausgebildete Staplerfahrer haben gelernt: Das Befördern oder Anheben von Personen auf Gabelzinken ist nicht erlaubt. Personen dürfen nur auf- und abwärts gefahren werden, wenn am Gabelstapler eine Arbeitsbühne mit Geländer, Knieleiste und Fußleiste sicher angebracht ist. Bei hochgefahrener Arbeitsbühne darf der Stapler nicht bewegt werden.

Ein Verstoß gegen diese Regelungen kann nach Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) mit einem Bußgeld geahndet werden (Ordnungswidrigkeit gemäß § 209 SGB VII »Bußgeldvorschriften«).

Strafgesetzbuch vor Ordnungswidrigkeitengesetz
Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nach § 21 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) nur das Strafgesetz angewendet. Eine Handlung kann nur dann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn keine Strafe verhängt wird.

Ist gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid ergangen und wird er später wegen derselben Handlung in einem Strafverfahren verurteilt, dann wird der Bußgeldbescheid nach § 86 OWiG aufgehoben.

Zivilrecht § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt die Schadensersatzpflicht. Hier gilt der Grundsatz: Wer einem anderen schuldhaft einen Schaden zufügt, muss dem Geschädigten Ersatz leisten, z. B. Wiedergutmachung durch Kompensation von Sachschäden oder vermindertem Einkommen und von Kosten für Heilbehandlung, Rehabilitation, Rente oder Schmerzensgeld.

Unfallversicherungsrecht/Haftungsprivileg
Da der Betriebsfrieden gewährleistet und nicht durch Zivilprozesse gefährdet werden soll, sind Unternehmer, Vorgesetzte oder Mitarbeiter im Falle eines Unfalls von der Haftung befreit. An ihrer Stelle übernimmt im Schadensfall die Berufsgenossenschaft die zivilrechtliche Haftung und kommt für den Schaden auf.

Bei vorsätzlichem Verschulden des Unternehmers oder eines Kollegen kann der Geschädigte zusätzlich zu den Leistungen der BG zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen (§§ 104 und 105 SGB VII).

Unter Vorsatz versteht man ein bewusstes und gewolltes Herbeiführen eines »Erfolges«.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen, die in gegebenem Fall jeder hätte anstellen müssen, außer Acht gelassen werden.

Regress
Unter bestimmten Umständen haften Unternehmer oder Kollegen gegenüber den Sozialversicherungsträgern (§ 110 SGB VII). Ein solcher »Rückgriff« oder auch »Regress« ist allerdings nur dann möglich, wenn der Unfall durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verursacht wurde. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit kann die Berufsgenossenschaft die Kosten für Aufwendungen in einem Versicherungsfall geltend machen, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches.

Arbeitsrecht Ein Verstoß gegen eine Anweisung kann nach dem Arbeitsrecht mit einer Abmahnung geahndet werden.

In der Bedienungs- und Wartungsanleitung der Ladebordwand empfiehlt der Hersteller, die Hydraulikschlauchleitungen monatlich per Sichtkontrolle auf Beschädigung hin zu untersuchen. Spätestens nach 6 Jahren sollten Hydraulikschlauchleitungen ausgetauscht werden. Ein Austausch bereits nach zwei Jahren wird empfohlen, wenn die Schläuche mechanischen oder thermischen Einflüssen oder Umgebungseinflüssen, wie z. B. UV-Licht bei Lkws, ausgesetzt sind.

Hydraulikschlauchleitungen sind Verschleißteile. Sie sollten monatlich per Sichtkontrolle auf Beschädigung hin untersucht werden. Spätestens nach 6 Jahren sollten Hydraulikschlauchleitungen ausgetauscht werden.

Autor: Carl-Mattarocci