Gekonnte Hochstapelei

Die Regeln des sicheren Stapelns

von Lutz Schiffmann | aus Akzente 10

In der Produktion, in Materiallagern und im Versand kommt es häufig vor, dass Güter nicht in Regalen, sondern direkt auf dem Boden gelagert und gestapelt werden. Und weil dabei Platz oft Mangelware ist, wird hoch gestapelt. Hierbei aber ist es wichtig, die Regeln des sicheren Stapelns zu kennen.

Im Lager bricht ein Palettenstapel voll mit Ware zusammen. Immer ist damit für das Unternehmen ein finanzieller Verlust verbunden. Und manchmal kommen dabei auch Menschen zu Schaden. Ein Stapel, der fachgerecht errichtet wurde, bricht nicht zusammen. Nachfolgend ein Blick auf die sicherheitstechnischen Probleme bei diesem Vorgang und wie man sie in den Griff bekommt.

Alles paletti – was eine sichere Palette ausmacht

Paletten, im Fachjargon Lagergeräte, müssen in erster Linie in der Lage sein, die auftretenden Lasten sicher aufzunehmen. Die Sicherheit gegen Bruch muss dabei mindestens das Zweifache der vorgesehenen Belastung QS (= Summe der zulässigen Nutzlasten Q + Summe der Palettengewichte QG) betragen.

Die notwendigen Kenndaten, wie zulässige Nutzlast, Auflast und Stapelhöhe, müssen in der Betriebsanleitung des Herstellers angegeben sein. Die Kennzeichnung an der Palette selbst muss neben dem Hersteller, Einführer oder Betreiber das Baujahr und die Tragfähigkeit der Palette enthalten.

Bei vielen Vierwege-Holzflachpaletten in so genannten Palettenpools ist dies auch meistens der Fall. Problematisch wird es, wenn Güter in nicht normgerechten Paletten, deren Herkunft oft nicht bekannt ist, angeliefert oder ausgeliefert werden sollen. Dann sind die erforderlichen Daten nicht bekannt.

Des Weiteren müssen Paletten eine ausreichende Steifigkeit aufweisen. Die Steifigkeit der Palette ist vor allem dann ein Thema, wenn das Packgut nicht die ganze Palettenfläche überdeckt. Bei ungünstigem Lasteintrag kann es trotz einwandfreier Paletten zu unzulässigen Verformungen bzw. Beschädigungen kommen. Bei einigen Warenarten, z. B. auch bei Mineralwasser in so genannten Brunnenkästen, werden die Europaletten in den Abmessungen 800 mm x 1200 mm nicht vollflächig beladen. Hier kann der Einsatz von Lastverteilungsplatten Abhilfe schaffen.

Was einen sicheren Stapel ausmacht: Standsicherheit

Damit ein Palettenstapel nicht kippt, muss er standsicher sein. Das heißt: Beim Errichten von Stapeln muss besonders die Standsicherheit beachtet werden. Sie errechnet sich aus dem Verhältnis des Standmoments zum Kippmoment (Formel siehe Kasten).

Das Standmoment (MSt) errechnet sich aus dem Produkt der senkrechten Kraft (entspricht im Allgemeinen dem Gewicht) und des Hebelarms, an dem diese Kraft wirkt. An der Formel ist leicht zu erkennen, dass das Standmoment bei gleicher Gewichtskraft abnimmt, je schmaler das Lagergerät ist. Das Kippmoment (MK) errechnet sich aus dem Produkt der Horizontalkräfte und wiederum des Hebelarms, an dem diese Kräfte wirken.

Sind Stand- und Kippmoment gleich groß, würde der Stapel gerade noch stehen bleiben. Damit der Stapel aber auf jeden Fall stehen bleibt, muss der Standsicherheitsfaktor, das Ergebnis der Division von Stand- durch Kippmoment, mindestens 2 betragen.

Wichtig für die Standsicherheit von Stapeln ist auch, dass sie möglichst senkrecht errichtet sind. Neigungen von mehr als 2 % sind nicht zulässig. Dieser Umstand ist auf alle Fälle zu berücksichtigen, wenn ein Betrieb z. B. eine alte Abfüllhalle mit Fußbodenneigung – zum besseren Abfluss von Bodenwasser – als Lagerhalle nutzt.

… und Schlankheit

Für sicheres Stapeln muss auch noch die Schlankheit eines Stapels berücksichtigt werden. Unter Schlankheit versteht man das Verhältnis der Höhe des Stapels zur Schmalseite der Stapelgrundfläche. Die Schlankheit darf nicht größer als 6:1 sein. Bei einem Stapel von 32 leeren Holzflachpaletten (Europaletten, Schmalseite 800 mm, siehe auch Beispiel im Kasten) ergibt sich eine Stapelhöhe von 4800 mm und eine Schlankheit von 6:1. Eine Stapelung von 32 Europaletten ist also zulässig.

Wichtig ist, die jeweiligen Randbedingungen dabei zu beachten. Bei dem im Kasten genannten Beispiel betragen die zusätzlichen Horizontalkräfte nur die Mindesthorizontalkraft von 150 N. Ist damit zu rechnen, dass weitere Horizontalkräfte wirken, z. B. Windkräfte bei der Lagerung im Freien, dann ergeben sich deutlich niedrigere zulässige Stapelhöhen.

Die BGR 234 lässt bezüglich der Schlankheit Ausnahmen zu. Dabei

Lagerbedingungen sind besonders günstig, wenn

 

BERECHNUNG DER STANDSICHERHEIT
Die BG-Regel "Lagereinrichtungen und –geräte" (BGR 234) enthält in Anhang 1 eine Formel für die Berechnung der Standsicherheit und auch ein Nomogramm zu deren grafischer Ermittlung.

Beispiel: 32 leere Holzflachpaletten
Anzahl der Paletten (n) 32
Gewichtskraft einer Palette (GS) 200 N
Nutzlast (Q) 0 N
Höhe der Palette (hi) 150 mm
Breite/Länge (b/l): 800 mm/1200 mm
zusätzliche Horizontalkraft (HZ) mindestens 150 N
Horizontalkraft (H = 1/50 der Gewichtskraft aus QS = QG + Q) 4 N

Nach der o. g. Formel ergibt sich eine Standsicherheit von 2,57.
Da der Wert größer 2 ist, wäre diese Stapelung erlaubt.

Lagergeräte sind zur Wiederverwendung bestimmte Paletten mit oder ohne Stapelhilfsmittel sowie Stapelbehälter.

Stapelhilfsmittel sind zur Wiederverwendung bestimmte Hilfsmittel, die mit den Paletten zu verbinden sind.

Hilfreich ist die DGUV Regel 108-007 (BGR 234) "Lagereinrichtungen und -geräte".

 

Autor: Schiffmann