Vibrationen: Ganzkörperschwingungen beim Staplerfahren

Ganzkörperschwingungen beim Staplerfahren können zu Gesundheitsschäden führen | Gefährdungsbeurteilung durchführen

von Thomas Fritsch und Uwe Janoske | aus Akzente

Beim Gabelstaplereinsatz stehen normalerweise die Verkehrs- und Kippsicherheit im Mittelpunkt. Dass bei der Arbeit mit Staplern Vibrationen – genauer Ganzkörperschwingungen – die Gesundheit des Fahrers beeinträchtigen können, wird oft nicht oder kaum beachtet. Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung fordert aus gutem Grund explizit dazu auf, eine Gefährdungsbeurteilung der Vibrationsbelastungen durchzuführen.

Beim Fahren mit Gabelstaplern entstehen Ganzkörperschwingungen, die auf Dauer die Gesundheit des Fahrers beeinträchtigen können. Neben der unmittelbaren Wirkung der Schwingungen auf die sichere Bedienung des Staplers können die gesundheitlichen Belastungen bei langjähriger Einwirkung Erkrankungen der Lendenwirbelsäule verursachen. In solchen Fällen kann es im schlimmsten Fall zu einer Berufskrankheit (siehe Randspalte) kommen, die zur Aufgabe der Tätigkeit zwingt.

Ganzkörperschwingungen sind mechanische Schwingungen oder Erschütterungen, die durch direkten Kontakt im Sitzen oder Stehen auf den gesamten menschlichen Körper übertragen werden. Die Lärmund Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) verlangt eine Beurteilung der Gefährdungen, die durch Ganzkörperschwingungen entstehen können. Es ist Aufgabe des Unternehmers, diese Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Basis für die Beurteilung der Vibrations-Gefährdungen beim Staplerfahren sind Informationen des Herstellers der Flurförderzeuge. In Bedienungsanleitung und Veröffentlichungen der Vibrationsemissionen sind die Schwingungswerte des Flurförderzeuges angegeben. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung für ein Fahrzeug hohe Werte (siehe Kasten), besteht grundsätzlich ein Minimierungsgebot. Maximalwerte dürfen nicht überschritten werden.

Vibrationen
Auslöse - und Grenzwerte
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) legt die Auslösewerte und Expositionsgrenzwerte für Ganzkörperschwingungen in den orthogonalen Richtungen als Tagesexpositionswerte A(8) fest.
Expositionsgrenzwerte
(maximal erlaubte Belastung):
horizontal: A(8) = awx,8h = 1,15 m/s²
  A(8) = awy,8h = 1,15 m/s²
vertikal: A(8) = awz,8h = 0,80 m/s²
Auslösewerte (ab hier muss der Betrieb aktiv werden):
horizontal: A(8) = awx,8h = 0,50 m/s²
  A(8) = awy,8h = 0,50 m/s²
vertikal: A(8) = awz,8h = 0,50 m/s²

Das hilft: schwingungsgedämpfte Sitze und Plattformen
Wie aber lassen sich Ganzkörperschwingungen an Staplern minimieren und damit Belastungen der Fahrer reduzieren? Aus Gründen der Standsicherheit können die Schwingungen bei Gabelstaplern und Flurförderzeugen mit Fahrerstand nicht über das Fahrwerk abgefangen werden. Der Fahrersitz bzw. die Standplattform bieten die wichtigste Möglichkeit, Schwingungen zu dämpfen, bevor sie den Fahrer erreichen.

Praktikable Maßnahmen sind somit konstruktive Änderungen wie der Einsatz angepasster Schwingsitze. Sie vermindern die Gesundheitsgefährdung erheblich. Insbesondere luftgefederte Schwingsitze (Passivdämpfung) erzielen in Abhängigkeit von Frequenz und Fahrergewicht Schwingungs-Minderungen von bis zu 60 %.

Neue Entwicklungen setzen auf die aktive Dämpfung der Schwingsitze, um Vibrationsgefährdungen zu minimieren. Wichtig ist dabei, dass der Fahrersitz unbedingt auf das Gewicht des jeweiligen Fahrers eingestellt wird. Mechanische Federungen von Schwingsitzen sind bei anzunehmenden Gesundheitsgefährdungen oberhalb der Auslösewerte nur bedingt geeignet, da sie die Wirksamkeit von luftgefederten Sitzen nicht erreichen. Bei Neuanschaffungen von Gabelstaplern sollte – um Gesundheitsgefährdungen durch Vibrationen von vornherein auszuschließen – die Beschaffenheit der Sitze eine wesentliche Rolle spielen – und nicht alleine der Preis entscheiden.

Ganzkörperschwingungen beim Staplerfahren
Vibrationen reduzieren
Das sollte der Betrieb in jedem Fall tun:
Gefährdung fachkundig (z. B. durch Fachkraft für Arbeitssicherheit) ermitteln und beurteilen, dazu
  • Schwingungswerte der eingesetzten Stapler und Flurförderzeuge mit Fahrerstand recherchieren
  • bei Neuanschaffung Schwingungswerte und Gestaltung der Fahrersitze berücksichtigen
  • sorgfältige Planung, Wartung und Reparatur der Fahrwege
  • Aufklärung der Fahrer bzgl. Fahrweise und Einstellung der Sitze
Das muss der Betrieb tun, wenn der Auslösewert überschritten ist:
  • Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten vor Tätigkeitsaufnahme und danach in regelmäßigen Abständen
  • allgemeine betriebsärztliche Beratung
  • Anbieten arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen
  • Programm technischer und organisatorischer Maßnahmen nach dem Stand der Technik ableiten, festlegen und durchführen

Vibrationen bei Gabelstaplern können im schlimmsten Fall zu folgender Berufskrankheit führen: »Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörper- Schwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.« (BK-Nr. 2110)

Was auch hilft
Neben der Beschaffenheit der Fahrzeuge gibt es weitere Faktoren, die der Unternehmer in seine Gefährdungsbeurteilung einbeziehen muss: die konkreten Einsatzbedingungen in seinem Betrieb. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Zustand der Fahrwege. Bodenwellen oder Schwellen sollten möglichst vermieden werden. Eine sorgfältige Wartung der Wege ist nicht nur im Hinblick auf vermeidbare Vibrationsbelastungen sinnvoll, sie trägt auch zur Verkehrssicherheit bei. Darüber hinaus können die Staplerfahrer durch ihre Fahrweise das Schwingungsverhalten des Fahrzeugs und damit die eigene Belastung stark beeinflussen. Angepasste Geschwindigkeit sorgt für ruhigere Fahrbewegungen. Bei jedem Fahrerwechsel müssen die Sitze auf das individuelle Körpermaß und Gewicht des übernehmenden Fahrers eingestellt werden. Damit die Dämpfung auch wirken kann. Fahrer, denen diese Zusammenhänge durch Unterweisung bekannt sind, haben eine hohe Motivation, ihre Gesundheit aktiv zu schützen.

 

Autor: Fritsch
Autor: Janoske