Das Sicht-Experiment

Fußgänger im toten Winkel | Eingeschränkte Sicht des Staplerfahrers bei Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen
aus akzente

Schlechte Sicht aus dem Gabelstapler

Versuche der BGN haben gezeigt: Ein Staplerfahrer, der eine 2,40 m tiefe und 1,70 m hohe Last geladen hat, kann Kopf und Schultern eines Fußgängers auf dem Fahrweg erst in ca. 8 m Entfernung sehen. Wer näher am Stapler dran ist, befindet sich im toten Winkel. Diese eingeschränkten Sichtverhältnisse müssen in die Gefährdungsbeurteilung einfließen und entsprechende Maßnahmen nach sich ziehen.

Stapler müssen nach Betriebssicherheitsverordnung, Anhang 1, Ziff. 1.5 e: »über geeignete Hilfsvorrichtungen, wie zum Beispiel Kamera-Monitor-Systeme verfügen, die eine Überwachung des Fahrwegs gewährleisten, falls die direkte Sicht des Fahrers nicht ausreicht, um die Sicherheit anderer Beschäftigter zu gewährleisten,«

Betriebe mit großen Lademengen wie z. B. in der Getränkeindustrie setzen oft Gabelstapler ein, die in einem Vorgang eine ganze Lkw-Breite umsetzen können. Drei bis acht Europaletten nimmt ein solcher Stapler auf. Die Nutzlasten erreichen bei den Geräten teilweise die 10-t-Grenze. Dadurch lässt sich die Effektivität der Verladung erheblich steigern. Für die gleiche Warenmenge braucht man heute weniger Fahrten und weniger Gabelstapler. In den Ladezonen ist viel Betrieb, da oft mehrere Lkws gleichzeitig be- und entladen werden. Durch Zeitdruck entsteht vor allem saisonal eine hektische Betriebsamkeit. Obwohl die Technik der Gabelstapler in den Bereichen Leistungsfähigkeit und Bedienung große Fortschritte gemacht hat, kommt es dennoch immer wieder zu schweren Unfällen. Untersuchungen von Staplerunfällen ergaben häufig, dass der Fahrer den Fahrweg nur unzureichend überblicken konnte. Die Last oder auch Bauteile des Gabelstaplers hatten ihm die Sicht genommen.

Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2111, Teil 4 »Mechanische Gefährdungen, Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen durch mobile Arbeitsmittel«, hier 3.2.1 Maßnahmen gegen Gefährdung durch Anfahren, Überfahren oder Quetschen aufgrund der Fahrbewegungen von mobilen Arbeitsmitteln, insbesondere beim Rückwärtsfahren

Unzureichende Sicht

Unabhängig von der Anzahl der Paletten beträgt die Tiefe der Last auf der Gabel ca. 2,40 m. Sie wird durch die Breite der Lkws vorgegeben. Die Höhe der Palettenladung variiert je nach Produkt in engen Grenzen und beträgt etwa 1,70 m. Wird die Last wie vorgeschrieben bodennah geführt, ergibt sich eine Höhe der Lastvorderkante von ca. 2,10 m. Diese 2,10 m markieren die untere Grenze des Sichtfelds, das der Fahrer auf den Fahrweg hat. Somit ist trotz seiner hohen Sitzposition seine Sicht durch die Last stark eingeschränkt. Versuche der BGN haben gezeigt: Der Fahrer kann Kopf und Schultern einer Person auf dem Fahrweg erst in 8 m Entfernung sicher wahrnehmen. Den Fahrweg selbst überblickte der Fahrer auch in 20 m Entfernung noch nicht. Auch das Hubgerüst oder Anbauteile können die Sicht auf den Fahrweg deutlich einschränken. Das gilt insbesondere für so genannte Trilex-Hubgerüste, bei denen der einzelne Hydraulikstempel zentral im Hubgerüst steht. Bei der Beschaffung sollte auf eine möglichst schlanke Konstruktion Wert gelegt werden.


Von dem in 8m Entfernung vor dem Stapler gehenden
Fußgänger sieht der Staplerfahrer nur den Kopf.



Auch in 20 m Entfernung kann der Staplerfahrer noch
nicht bis zum Boden des Fahrwegs sehen.

Sicherheitskonzept überprüfen

Auch für den Betrieb von Gabelstaplern muss eine Gefährdungsbeurteilung erstellt und permanent aktualisiert werden. Hierbei müssen die Sichtverhältnisse des Staplerfahrers eingehend untersucht und beurteilt so- wie entsprechende Maßnahmen festgelegt werden. Dazu gehört auch eine Betriebsanweisung, die für das Verhalten aller Personen maßgeblich ist. Folgende Fragen sollten geklärt sein:

In den meisten Fällen ist die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Unfällen: getrennte Verkehrswege für Gabelstapler und Fußgänger. Fußgänger dürfen Lagerhallen und Verladebereiche nicht betreten. Allerdings lässt sich in den wenigsten Betrieben ein solches Betretungsverbot konsequent umsetzen. Selbst im Normalbetrieb halten sich die Lkw-Fahrer in unmittelbarer Nähe der Fahrzeuge auf und beobachten die Ent- und Beladearbeiten. Oftmals müssen Papiere übergeben oder die Lkw-Plane geöffnet werden. Zusätzlich können Labormitarbeiter oder Kommissionierer in den gesperrten Bereichen anzutreffen sein. Bei Instandhaltungsarbeiten muss mit weiteren, gegebenenfalls ortsunkundigen Fußgängern von Fremdfirmen gerechnet werden.

Unfallverhütungsvorschrift 68 »Flurförderzeuge«, (BGV D27), § 12 (1): »Flurförderzeuge dürfen nur verfahren werden, wenn der Fahrer ausreichende Sicht auf die Fahrbahn hat oder eingewiesen wird.« Fragen zum Thema? Rufen Sie uns an: 0511 23560-5420

Was passiert, wenn ein Fußgänger kommt?

In der Regel werden Fußgänger gezielt den gesperrten Lager- und Verladebereich betreten müssen.

VOM STAPLER ERFASST
In einem Getränkebetrieb wurde eine Mitarbeiterin auf dem Weg über den Hof von einem voll beladenen Stapler von hinten angefahren. Sie fiel zu Boden und der Stapler überrollte ihr Bein. Der Fahrer gab an, er habe die Kollegin erst wahrgenommen, als sie seitlich neben dem Gabelstapler lag.

In einer Brauerei kürzte ein Leiharbeiter seinen Weg ab, indem er durch die für Fußgänger gesperrte Verladehalle ging. Er wurde von einem voll beladenen Gabelstapler erfasst und unter der Gabel gequetscht. Er verstarb im Krankenhaus.

In einem Getränkebetrieb wurde ein Mitarbeiter, der in der Verladehalle zwischen zwei Lkw stehend die Lieferungen aufnahm, von einem Gabelstapler ohne Last erfasst und zu Boden geworfen. Der Stapler überrollte beide Beine des Mannes. Er trug die nach Betriebsanweisung erforderliche Warnweste.

Der Fahrer muss sehen (können)

Arbeitsumgebungen, in denen die eingeschränkte Sicht des Fahrers nicht zu einer Gefährdung anderer Personen führt, sind denkbar, aber äußerst selten anzutreffen. Der Fahrer muss daher erkennen können, ob sich ein Fußgänger oder ein Hindernis im Fahrweg befindet. Dabei sind einige Punkte zu überprüfen:

Kamerasystem verkleinert toten Winkel

Einige Betriebe haben bereits Gabelstapler mit einem Kamerasystem ausgestattet. Das System besteht aus zwei Kameras und einem Farbmonitor im Sichtbereich des Fahrers. Die Kamera für die Vorwärtsfahrt ist möglichst weit vorn und oben an einem festen Teil des Gabelstaplers - in der Regel am rechten Ende des Hubmastes - befestigt. Die Kamerasystem verkleinert toten Winkel Rückfahrkamera muss möglichst weit hinten montiert werden. Der Monitor zeigt jeweils das Bild für die gewählte Fahrtrichtung. Die Umschaltung erfolgt automatisch. Auf diese Weise wird der tote Winkel vor der Last enorm verkleinert. Der Fahrer sieht Personen auf dem Monitor wesentlich früher. Die Rückfahrkamera kann insbesondere das Ausfahren aus engen Lagergassen sicherer gestalten, da der Fahrer viel früher in den Quer- verkehr einsieht. Die Kamerasysteme lassen sich an allen handelsüblichen Gabelstaplern nachrüsten. Große Lieferanten bieten es an. Ein Kamerasystem kann aber nicht den direkten Blick des Fahrers auf den Fahrweg ersetzen. Nur nach dem Monitorbild zu fahren, ist nicht zulässig. Ebenso kann das Kamerasystem die anderen Maßnahmen - vor allem die Trennung der Verkehrswege - nur unterstützen, nicht ersetzen.



VORAUSSETZUNGEN
für den Fahrer:
Befähigung:
Ausbildung und Nachweis der Befähigung durch eine Prüfung
Unterweisung:
Regelmäßige, mindestens jährliche betriebliche Unterweisung für den Fahrer
Fahrauftrag:
Schriftlicher Auftrag zum Fahren eines Flurförderzeugs, gegebenenfalls mit Einschränkungen auf Bereiche oder Fahrzeuge


für den Betrieb:
Gabelstapler sind Maschinen im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie und der Maschinenverordnung (9. GPSGV). Sie und ihre Anbau- und Zubehörgeräte müssen eine Konformitätserklärung haben. Die bestimmungsgemäße Verwendung wird vom Hersteller in der Betriebsanleitung definiert.

 

 

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