Hier wird in die Luft geflogen

20 Jahre Explosionsschutz-Testgelände der BGN in Kappelrodeck
von Dr. Albrecht Vogl | aus Akzente

Vor 20 Jahren führte die BGN zum ersten Mal auf einem eigenen Testgelände Staubexplosionsversuche im Großmaßstab durch. Seitdem wird hier praxisnah geforscht. Zahlreiche praktikable Schutzkonzepte speziell für die Betriebe der Nahrungs­-mittelindustrie sind daraus hervorgegangen.

Staubexplosionen haben immer wieder verheerende Folgen. Davon betroffen sind auch Nahrungsmittel verarbeitende Betriebe. Die größte Mehlstaubexplosion in der Geschichte der Bundesrepublik ereignete sich 1979 in einer Bremer Mühle: 14 Tote, 17 Verletzte und ein Sachschaden von über 100 Millionen Mark waren zu beklagen.

Seit Anfang der 70er Jahre wurden in Deutschland mehr als 700 Staubexplosionen ausgewertet. Dabei machen Silos, Entstaubungs-, Mahl- und Förderanlagen den größten Teil betroffener Anlagengruppen in der Nahrungsmittelindustrie aus.

Im Labor ging's los
Für die BGN bestand dringender Handlungsbedarf, praktikable Präventionsmaßnahmen und -konzepte für den Explosionsschutz zu entwickeln. Sie baute ein eigenes »Staub«-Labor auf, in dem seitdem das Brenn- und Explosionsverhalten von Nahrungsmittelstäuben un­tersucht wird. Bis heute haben die BGN-Wissenschaftler ca. 1.300 Produkte und Produktgemische untersucht und die sicherheitstechnischen Kenngrößen zur Beurteilung ihres Brenn- und Explosionsverhaltens ermittelt. Diese Kenngrößen stellen die Grundlage jeder Gefährdungsbeurteilung dar und stehen in einer Datenbank zur Verfügung.
Untersuchungen im Labormaßstab alleine aber waren nicht ausreichend, um die Probleme des Explosionsschutzes in der Praxis angemessen zu lösen. Denn Betriebsbedingungen, Prozessparameter und räumliche Gegebenheiten haben maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung und den Ablauf von Staubexplosionen. Deshalb nahm die BGN in der Folgezeit mit namhaften Experten der chemischen Industrie gemeinsame Forschungsprojekte im Großmaßstab in Angriff. Zielsetzung war die Entwicklung und Auslegung geeigneter konstruktiver Schutzmaßnahmen für die Betriebe, um die Auswirkungen von Staubexplosionen auf ein ungefährliches Maß zu begrenzen. Anfängliche Erfolge und Euphorie wichen der Erkenntnis, dass die chemische Industrie und die Nahrungsmittelindustrie unterschiedliche Sicherheitsphilosophien verfolgen und wohl auch verfolgen müssen. Die wesentlichen Gründe liegen sowohl im unterschiedlichen Risikopotenzial als auch in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen. So konnten die entwickelten Schutzkonzepte nur eingeschränkt auf die Nahrungs- und Futtermittelindustrie übertragen werden und im Allgemeinen nicht auf die zahlreichen Altanlagen, wie sie bis heute vielfach in dieser Branche zu finden sind, angewendet werden.

Forschen für betriebliche Praxis

Ergebnisse aus BGN-Projekten (Beispiele)

  • Berechnungsgleichungen für die Explosionsdruckentlastung von pneumatisch befüllten Silos
  • Flammengeschwindigkeiten in Rohrleitungen als Grundlage für die explosionstechnische Entkopplung (Einbauabstände von Explosionsschutzventilen)
  • Wirksamkeit und Anwendungsgrenzen so genannter Entlastungsschlote
  • Mechanische Flammensperren
  • Ermittlung der maximal zulässigen Temperatur der Förderluft für die pneumatische Entleerung von Silofahrzeugen
  • Schaffung maßgeblicher Grundlagen für die CO-Detektion zur Brandfrüherkennung in Milchtrocknungsanlagen
  • Entwicklung einer Software für sicherheitstechnische Auslegungen im Explosionsschutz
  • Entwicklung eines Detektionssystems zur Erkennung von Glimmnestern im pneumatischen Feststofftransport

Dann kam die Versuchsanlage
Diese Tatsache war für die BGN Anlass, die praxisorientierte Forschung auf diesem Gebiet zu intensivieren. 1986 war es so weit: Auf einem eigenen Versuchsgelände, einem ausgedienten Steinbruch in Kappelrodeck im nördlichen Schwarzwald, führte die BGN ihre ersten Staubexplosionsversuche im Großmaßstab durch. Der wesentliche Unterschied gegenüber früheren Vorgehensweisen bestand darin, dass diese Großversuche praxisnah durchgeführt wurden. Das setzte voraus, sich von genormten und idealisierten Vorgehensweisen zu lösen. Stattdessen wurden reale Prozesse und Betriebsbedingungen genau analysiert und ihre Einflüsse auf das Explosionsgeschehen untersucht.
Das war der Beginn einer neuen, bis heute andauernden erfolgreichen Ära mit zahlreichen Forschungsprojekten auf nationaler und internationaler Ebene. Die BGN-Wissenschaftler untersuchten erstmals die tatsächlich in den Anlagenkomponenten auftretenden Staub/Luft-Gemische hinsichtlich Konzentration, Verteilung und Turbulenz, wozu sie eigene Messtechniken entwickelten. Unter realitätsnahen Betriebsbedingungen führten sie in verschiedenen Anlagenkomponenten, z.B. Silos, Mühlen, Mischer, Filter, Wirbelschichttrockner, systematisch Explosionsversuche durch. Sie analysierten die Druckentwicklung und Flammengeschwindigkeit der Explosionsabläufe, um konstruktive Schutzmaßnahmen zu entwickeln und die Grundlagen für die richtige Auslegung und Installation zu schaffen.
Die Ergebnisse der BGN/FSA-Explosionsschutzforschungen finden ihren Niederschlag im nationalen und europäischen Regelwerk. Sie fließen in Risikobeurteilungen, Betriebsberatungen und Seminare ein. Daneben unterstützt die BGN zahlreiche Hersteller von Geräten wie z.B. Mühlen, Wirbelschichttrocknern oder Filtern und Hersteller von Schutzsystemen im Rahmen ihrer Produktentwicklung, um z.B. Schwachstellen zu ermitteln und um Optimierungen durchzuführen. Aus der BGN/FSA-Explosionsschutz-Forschung sind praktikable Schutzkonzepte hervorgegangen, die an den tatsächlichen branchenspezi­fischen Risiken orientiert sind. So können hohe Kosten eingespart und Fehlinvestitionen vermieden werden.

Dienstleistungen

im Bereich Explosionsschutz

Die BGN und die Forschungsgesellschaft für angewandte Sys­temsicherheit und Arbeitsmedizin (FSA) mbH bieten folgende Dienstleistungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes an:

  • Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngrößen von Stäuben
  • gutachterliche Tätigkeiten (Gefährdungsbeurteilungen, Risikobeurteilungen),
  • Unterstützung bei der Erstellung von Explosionsschutz- dokumenten nach der Betriebssicherheitsverordnung
  • Durchführung von EG-Baumusterprüfungen für Geräte und Schutzsysteme in explosionsgefährdeten Bereichen.

Siehe auch: Branchenspezifische Leitfäden zur Erstellung von Explosionsschutzdokumenten | für Mitgliedsbetriebe der BGN kostenlos: www.fsa.de Internetlink

 

Eine Liste mit Publikationen zu BGN/FSA-Forschungsprojekten finden Sie hier Internetlinkim Internet.

 

Autor: Vogl