Unser Erfolgsgeheimnis heißt 5W1H


Bei Unilever Bestfoods Deutschland in Heilbronn geht man Unfallursachen mit Analysetechniken nach TPM auf den Grund
von Elfi Braun | aus Akzente

Bild: Mitarbeiter der Unilever Bestfoods



Warum, warum, warum, warum, warum? Kleine Kinder wollen mit dieser Fragerei die Welt begreifen. Die Abteilung »Sicherheit, Gesundheit, Umwelt« von Unilever Bestfoods in Heilbronn will so die tatsächlichen Ursachen von Arbeitsunfällen erfahren. Sie setzt dazu die Analysetechniken 5W1H und N5W ein, die sie aus dem Instandhaltungsmanagement-System TPM übernommen hat. Ein gute Idee, findet die BGN und zeichnete das Unternehmen mit dem BGN-Präventionspreis 2004 in der Kategorie »Orga­nisation und Motivation« aus.

Der Mitarbeiter stand auf einer Anlegeleiter und reinigte eine Rohrleitung. Die Leiter rutschte am Boden weg, der Mitarbeiter fiel mit der Leiter um. TPM hilft, die Ur­sachen dieses Unfalls systematisch zu analysieren. TPM ist das aus Japan stammende Instandhaltungsmanagement-System »Total Productive Maintenance«. Klaus Schenk, Leiter der Abteilung »Sicherheit, Gesundheit, Umwelt« bei Unilever (Knorr) in Heilbronn, erklärt: »TPM setzt bei der Fehlersuche und Klärung von Problemen die Analysetechniken 5W1H (5W: What, When, Where, Who, Why = Was, Wann, Wo, Wer, Warum, 1H: How = Wie) und N5W (N: New = Neu; 5W: 5 x Why = 5 x Warum) ein. Durch konsequentes Weiter­fragen dringt man scheibchenweise zur tatsächlichen, oftmals komplexen Ursache des Problems vor. Wir wenden diese Technik bei der Analyse von Arbeits- und Beinahe-Unfällen an.«

Bild: Mitarbeiter der Unilever Bestfoods



Es geht immer um die Reduzierung von Verlusten
Verluste und Verschwendungen in der Produktion systematisch zu reduzieren oder vollständig zu eliminieren, das genau ist die Aufgabe von Total Productive Maintenance – mit dem Ziel, die Effektivität und Effizienz der Betriebsanlagen wesentlich und nachhaltig zu verbessern – und somit Fertigungskapazitäten zu erhöhen und die Wett­bewerbsposition zu stärken. Das Instrument, das zum Erreichen des Ziels eingesetzt wird, ist eine »produktive« Instandhaltung. Durch die Stabilisierung und kontinuierliche Verbesserung der Instandhaltungsprozesse, durch eine vorbeugende Instandhaltung und die Beseitigung sämtlicher Verlustquellen in der Instandhaltung werden instandhaltungsbedingte Störungen vermieden. Denn diese führen zu Zeitverlusten, die sich über die gesamte Wertschöpfungskette fortpflanzen.
Bei Unfällen ist das genauso. Auch Unfälle sind Störungen im Betriebsablauf. Für Klaus Schenk lag es deshalb auf der Hand, zur Vermeidung solcher Störungen Instrumente des TPM zu übernehmen: »Die vorausschauende Betrachtung beim TPM lässt sich auch rückwirkend einsetzen, also bei der Unfallanalyse.« Gleich mehrere Aspekte des TPM haben Schenk und sein Team überzeugt: das stufenweise Vorgehen in kleinen Schritten, das rasch zu handfesten und positiven Ergebnissen führt. Und das Schaffen einer Unternehmenskultur, in der jeder ungestraft das Vorhandensein von Problemen eingestehen kann. Schenk: »Wir setzen mit unserer Methode auf Analyse statt auf Beschuldigungen. Viele Mitarbeiter hatten früher Angst vor den Unfalluntersuchungen. Wir binden den Mitarbeiter, der einen Unfall hatte, konstruktiv in die Analyse ein. Er sieht, wie sie durchgeführt wird und was dabei herauskommt: In der Regel sind das organisatorische Unfallursachen.«

Klaus Schenk, Leiter der »Abteilung Sicherheit, Gesundheit, Umwelt« (Bild unten): »Die vorausschauende Betrachtung beim TPM lässt sich auch rückwirkend bei der Unfall­analyse einsetzen.«

Bild: Klaus Schenk



Was tatsächlich dahintersteckt
Nach TPM ergibt sich bei der Analyse des Leiterunfalls folgende Betrachtung nach der 5W1H-Methode: Was ist das Problem? Wann trat es auf? Wo? Wer hatte es? Warum? Wie ist es entstanden? Bei dem Leiterunfall erwies sich die Standfes­tigkeit der Leiter als das Problem: Der Anstellwinkel der Leiter war zu flach. Außerdem hatte die Leiter am Boden nicht genügend Grip.
Sicherheitsfachkraft Thomas Klauss erläutert: »Wenn wir mit der 5W1H-Analyse das Problem herausgefunden haben, bringen wir es in einem Kernsatz zu Papier. Dieser Kernsatz ist dann Ausgangspunkt für weitere Fragen, um die Grundursache bzw. Ursachenzusammenhänge herauszufinden. Warum hatte die Leiter nicht genügend Grip am Boden? Weil der Boden nass war. Warum stellte der Mitarbeiter trotz nassem Boden eine Leiter auf? Weil er nicht über die Gefährdungsmöglichkeiten eines nassen Bodens unterwiesen war, und so weiter.«
Warum war der Anstellwinkel zu flach? Weil der neue Mitarbeiter den richtigen Winkel nicht kannte. Warum? Weil er nicht unterwiesen war. Und warum hat der Mitarbeiter die Leiter so flach angelegt? Weil er die Leiter nicht anders anstellen konnte. Warum? Weil die Rohre im Weg waren und die Leiter für diese Stelle zu lang war. Warum hat der Mitarbeiter eine Leiter benutzt, die nicht geeignet war? Weil nur diese Leiter verfügbar war. Warum? Weil im Gebäude keine andere Leiter vorgesehen war. Und warum hat der Mitarbeiter die Leiter dann nicht gegen Wegrutschen und Umkippen gesichert? Weil keine Sicherungsmöglichkeit vorhanden war.

 

AKTIONSPLAN NACH DEM LEITERUNFALL

Folgende Maßnahmen wurden festgelegt:

  • Grundunterweisung der Mitarbeiter
  • Einpunkte-Lektion »Anstellwinkel Leiter« (Ellenbogenprobe) erstellen und verteilen
  • Überprüfen, ob alternative Steighilfen sinnvoller sind, und falls ja, beschaffen
  • Hilfsmittel zur Leitersicherung beschaffen
  • Unterweisung für Mitarbeiter erstellen



Überraschende Ergebnisse
Thomas Klauss: »Bei der Analyse des Leiterunfalls kamen Dinge heraus, an die wir nicht gedacht hätten. Es waren alles organisatorische Fehler.« So war versäumt worden, den neuen Mitarbeiter zu unter­weisen. Außerdem standen für die Arbeit weder eine geeignete Leiter noch andere Hilfsmittel zur Leitersicherung zur Verfügung. klauss: »Wenn wir die einzelnen Ursachen dann herausgearbeitet und dokumentiert haben, folgen die Aktionen. In einem Aktionsplan legen wir genau fest, welche Maßnahmen wir durchführen müssen, um künftig Unfälle zu vermeiden. Außerdem ist in dem Plan festgehalten, wer welche Maßnahmen durchführt und bis wann. Mit einem engmaschigen Kontrollsystem stellen wir sicher, dass die einzelnen Punkte auch erledigt werden.«
Lohnt es sich wirklich, bei jedem Unfall soviel Aufhebens zu betreiben? Unilever Bestfoods in Heilbronn ist davon überzeugt, dass es lohnt. Klaus Schenk: »Es ist unser Erfolgsgeheimnis, jeder Kleinigkeit auf den Grund zu gehen. Das machen wir in der Produktion und auch im Arbeitsschutz.« Erste Erfolge des Verbesserungsprozesses nach TPM im Arbeitsschutz haben sich schon eingestellt: Früher betrug die Unfallquote 2,3 Unfälle pro 100.000 Arbeitsstunden. Jetzt liegt sie bei 0,1.

Bild: Mitarbeiter der Unilever Bestfoods



Die Standards immer weiter verbessern
Eine gelungene Verbesserung, die sich aus dem analysierten Leiterunfall ergab, war die Anschaffung eines fahrbaren Leichtgerüsts. Sicherheitsfachkraft Thomas Klauss: »Man kann das Gerüst ganz leicht aufbauen und in jedem Aufzug transportieren. Es hat sich schnell im Betrieb herumgesprochen, dass es so etwas jetzt hier gibt. Seit der Anschaffung wurde das Gerüst schon über 300-mal an den verschiedensten Stellen eingesetzt. Das zeigt: Unsere Mitarbeiter wollen sicher arbeiten. Wir müssen ihnen sagen, worauf sie achten müssen. Und wir müssen die organisatorischen Bedingungen für sicheres Arbeiten schaffen, indem wir durch systematische Verbesserungsprozesse die Standards insgesamt verbessern.«
Was das im Einzelnen heißt und wie es genau aussieht, das weiß das Team der Abteilung »Sicherheit, Gesundheit, Umwelt« bei Unilever Bestfoods jetzt viel treffsicherer als früher. Schenk: »Wir wissen nach einer Analyse detailgenau, was wir noch tun müssen. Zum Beispiel was wir bei diesen oder jenen speziellen Bedingungen in unserem Betrieb in eine Betriebsanweisung hineinschreiben und was darin gar nichts zu suchen hat, weil es nicht relevant ist. Wir wissen es, weil wir detailliert nachgefragt haben.«

5W1H- und N5W-Analysetechniken sind einfach und wirkungsvoll und können grundsätzlich in allen Branchen und Betrieben angewendet werden. Für die Nutzung dieser Techniken im Arbeitsschutz erhielt Unilever Bestfoods Heilbronn den BGN-Präventionspreis 2004 in der Kategorie »Organisation und Motivation«.

 

Autor: Braun