von Dr. Claudia Schuh | aus Akzente
von Dr. Claudia Schuh
Bei der kaltaseptischen Abfüllung von Getränken und flüssigen Nahrungsmitteln in Kunststoffflaschen werden Peressigsäure und Wasserstoffperoxid enthaltende Desinfektionsmittel eingesetzt. Dabei können Gase und Aerosole dieser chemischen Verbindungen in die Atemluft der Beschäftigten gelangen und bei bestimmten Konzentrationen zu Reizungen der Augen und Schleimhäute führen. Ein von der BGN entwickeltes Messverfahren kann Aufschluss geben.
Die kaltaseptische Abfüllung von Getränken und flüssigen Nahrungsmitteln in Kunststoffflaschen hat sich mittlerweile gegenüber der Heißabfüllung durchgesetzt. Bei dieser Technologie werden beim Abfüllen die Flaschen und Verschlüsse innen und außen desinfiziert. Auch die Anlagenteile, Tanks, Rohrleitungen und Armaturen werden regelmäßig desinfiziert. Als Desinfektionsmittel werden Wasserstoffperoxid und Peressigsäure verwendet.
Effektiv und ökologisch unbedenklich
Wasserstoffperoxid und Peressigsäure sind wasserlöslich, Sauerstoff abspaltend und haben ein hohes Oxidationspotenzial. Besonders die Peressigsäure weist ein hohes Wirkungsspektrum gegenüber Hefen, Schimmelpilzen, Bakteriophagen und Sporen bildenden Bakterien auf. Wasserstoffperoxid und Peressigsäure sind relativ pH- und temperaturunabhängig. Das bedeutet: Sie wirken bereits bei niedrigen Temperaturen. Die Sauerstoff abspaltenden Desinfektionsmittel werden im Sauren eingesetzt. Sie sind ökologisch unbedenklich, da sie im Abwasser zu Wasser, Sauerstoff und Essigsäure zerfallen. Die Essigsäure ist biologisch leicht abbaubar.
SCHUTZMASSNAHMEN | ||||||||||||||||||
Auf Grund der stark sauren Eigenschaft und der Gefahr der Selbstzersetzung müssen beim Umgang insbesondere mit Peressigsäure-Konzentraten folgende Schutzmaßnahmen beachtet werden: | ||||||||||||||||||
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Stark reizend und brandfördernd
Beim Umgang mit peressigsäurehaltigen Desinfektionsmitteln fällt der stechende Geruch auf. Er geht sowohl von der Peressigsäure als auch von der Essigsäure aus. Beschäftigte, die mit Konzentraten und niedrig verdünnten Reinigungslösungen arbeiten, beklagen sich häufig über den stechenden Geruch und über Reizungen der Augen, Nasen- und Rachenschleimhäute. Auch Hautrötungen, Jucken an Händen und Gesicht, Hustenreiz, Tränenfluss und ein Kratzen im Hals kommen vor.
Neben den Reizwirkungen stehen die brandfördernde Eigenschaft und die Gefahr der Zersetzung im Vordergrund. Handelsübliche Produkte enthalten in der Regel zwischen 5 und 15 % Peressigsäure und 5 bis 30% Wasserstoffperoxid. Bei diesen Konzentraten besteht die Gefahr der Selbstzersetzung, die bereits bei Raumtemperatur eintritt. Beschleunigt wird die Zersetzung durch Wärmeeinwirkung und Verunreinigungen.
Werden Gebinde z.B. über der Aufbewahrungstemperatur oder bei direkter Sonneneinstrahlung (z.B. an Fenstern ohne Jalousien) gelagert, dann können die Peroxide Sauerstoffgas freisetzen. In fest verschlossenen Gebinden baut das frei werdende Sauerstoffgas ein Druckpolster auf, das zum Bersten der Gebinde führen kann. Deshalb müssen Konzentratgebinde mit gasdurchlässigen Verschlüssen ausgestattet sein. Auch Verunreinigungen mit bereits kleinsten Mengen von Zigarettenasche, Rost, Metallspänen, Münzen oder Schmutzlappen reichen aus, um eine spontane Erhitzung mit anschließender Selbstzersetzung einzuleiten.
Betriebe, die Probleme mit Peressigsäure-Expositionen vermuten, wenden sich bitte an ihre Aufsichtsperson der BGN. |
Luftgrenzwerte
Für beide Peroxide existieren zurzeit keine gültigen Arbeitsplatzgrenze nach TRGS 900. Zur Beurteilung kann für die Peressigsäure der Derived No Effect Level in Höhe von 0,56 mg/m³ herangezogen werden und für Wasserstoffperoxid die maximale Arbeitsplatzkonzentration der DFG (MAK-Wert) in Höhe von 0,71 mg/m³. Auch für Expositionsspitzen gelten keine höheren Grenzen. Für Essigsäure, die in handelsüblichen Produkten zwischen 15 und 30% enthalten ist, beträgt der gültige Arbeitsplatzgrenzwert nach TRGS 900 25 mg/m³ und ein Überschreitungsfaktor von 2.
Messverfahren zur Arbeitsplatzüberwachung
Für Peressigsäure existiert zur Arbeitsplatzüberwachung ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft anerkanntes Messverfahren, das von der BGN entwickelt wurde.
Die desinfektionsmittelhaltige Luft wird durch eine mit Wasser gefüllte Waschflasche (Impinger) gesaugt. Unmittelbar nach der Probenahme wird ein Teil der Probelösung mit Reagenzien versetzt und diese durch die Peroxide zu stabilen Oxiden umgesetzt. Diese Oxide werden im Labor per Hochdruckflüssigkeitschromatographie analysiert und anhand externer Kalibrierkurven die Peroxide quantifiziert.
Das Messverfahren eignet sich sowohl für personengetragene Messungen als auch für ortsfeste Probenahmen. Zahlreiche Expositionsmessungen an Beschäftigten während der manuellen Desinfektion und an Maschinenführern von kaltaseptischen Abfüllanlagen wurden bereits durchgeführt.
Insbesondere bei manuellen Desinfektionsarbeiten, z. B. von Anlagen und Arbeitsräumen, besteht die Gefahr der erhöhten Exposition von Peroxiden. Aber auch bei der kaltaseptischen Abfüllung werden peroxidhaltige Gase und Aerosole freigesetzt. Während der Sprühdesinfektion wurden erhöhte Peressigsäurekonzentrationen in der Atemluft nachgewiesen. Die Höhe der Exposition variiert stark und hängt von der eingesetzten Konzentration der Peressigsäure und Wasserstoffperoxid enthaltenden Anwendungslösung ab, sowie von der Häufigkeit, Dauer und Art der Sprühdesinfektion, von der Raumlüftung und den Aufstellbedingungen der Anlage.
Weitere Anwendungsgebiete und Erkenntnisse aus Expositionsmessungen sind in der Fachzeitschrift Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft veröffentlicht.
C.Schuh, M.Weigl, W.Wegscheider:"Simultane Bestimmung der Desinfektionsmittel Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid in der Luft an Arbeitsplätzen", 76 (2016) Nr. 7/8, S. 259-264