Suchtprävention als Führungsaufgabe

von Dr. Elisabeth Lucko und Silke Tiedemann


Ein Mitarbeiter hat ein Alkoholproblem, das sich merklich auf seine Arbeitsleistung und letztendlich auch auf die Sicherheit im Betrieb auswirkt. Es muss etwas geschehen. Den Betroffenen auf kürzestem Weg aus dem Betrieb zu entfernen, vereinbart sich nicht mit der Fürsorgepflicht des Unternehmers. Es ist vielmehr seine Aufgabe, das Problem konstruktiv anzugehen. Nachfolgend ein Fall, wie er in jedem Betrieb vorkommen kann.


Paul trinkt gerne. Das weiß jeder im Betrieb. Seine Leistungen haben deutlich nachgelassen. Immer häufiger muss er während der Arbeit Pause machen, und montags ist er jetzt öfter krank. Wenn er nach der Mittagspause auf seinen Stapler steigt, denkt so mancher Kollege: "Hoffentlich geht das gut." In letzter Zeit ist Paul oft aufbrausend. Kaum einer traut sich noch, ihn anzusprechen. Aber im Großen und Ganzen "funktioniert" er ja noch. Und bei Betriebsfeiern ist er unentbehrlich. Erst durch ihn wird die Stimmung richtig gut. Dass er nach der Feier noch mit dem Wagen nach Hause fährt, ist ja seine Angelegenheit.

Unter den Kollegen ist Pauls Verhalten öfter mal Gesprächsthema. Mit ihm selbst spricht aber keiner darüber. Bislang waren die Kollegen bereit, gewisse Ausfälle zu decken und mit zu tragen. Langsam aber stößt die Kollegialität an ihre Grenzen. Die Kollegen sind immer weniger bereit, Pauls Arbeit nebenbei mit zu erledigen und für ihn zu schwindeln. Zumal Pauls Verhalten in letzter Zeit immer auffälliger wird. Und seit dem peinlichen Zwischenfall auf dem Betriebsausflug wächst der Unmut der Kollegen und Vorgesetzten stetig.

So kann es nicht weitergehen. Es muss etwas geschehen. Paul muss weg. Mit einer Entlassung aber ist eigentlich keinem gedient. Paul verliert seine Arbeit und endet im sozialen Abseits. Der Betrieb verliert einen erfahrenen Mitarbeiter. Außerdem: So recht wohl ist keinem bei dieser Art von "Problembeseitigung". Gibt es noch eine andere Möglichkeit, das Problem zu lösen?


Es könnte und sollte anders gehen

Mitarbeiter, bei denen der Verdacht besteht, dass ihre Leistungseinbußen und Ausfälle in Zusammenhang mit einem Alkoholproblem stehen, sollten von ihren Vorgesetzten darauf angesprochen werden. In diesem Gespräch geht es nicht darum, dem Mitarbeiter zu beweisen, dass er alkoholkrank ist. Vielmehr soll ihm deutlich gemacht werden, dass der Betrieb nicht bereit ist, seine alkoholbedingten Auffälligkeiten, Leistungseinbußen und Ausfälle auf Dauer zu tolerieren. Deshalb fordert der Vorgesetzte den Mitarbeiter auf, sein Verhalten zu ändern. Falls er dazu aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, muss er die professionelle Hilfe eines Suchtberaters oder einer Beratungsstelle in Anspruch nehmen. Die Profis sollten dann gegebenenfalls auch eine Therapie in die Wege leiten.

Die Aussichten, nach einer Entwöhnungstherapie dauerhaft abstinent zu bleiben, liegen bei 50 Prozent. Dies wird oftmals unterschätzt. Nicht in jedem Fall ist es notwendig, dass der Mitarbeiter sich zur Entwöhnung einem längeren, oft Monate dauernden Klinikaufenthalt unterziehen muss. Es gibt auch Fälle, die ambulant, also ohne längere Ausfallzeiten erfolgreich therapiert werden können.


Dem Mitarbeiter eine Chance geben

Nur Vorgesetzte oder Unternehmer haben die Möglichkeit, durch ihr konsequentes Handeln bei dem Betroffenen den Leidensdruck auszulösen, den er braucht, um das Versteckspiel vor sich und der Umwelt zu beenden und um endlich Hilfe annehmen zu können. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes kann hier sehr wohl ausreichend sein, um ihn zu diesem Schritt zu motivieren. Deshalb gehört es zu den Aufgaben des Unternehmers oder Vorgesetzten, ein solches Gespräch zu führen. Er darf es nicht an andere Betriebsangehörige wie z. B. den Betriebsarzt delegieren. Dieser kann den Vorgesetzten genauso wie der Suchthelfer bei seinem Vorgehen unterstützen und beraten.

Es ist übrigens nicht richtig, dass jeder, der Suchtmittelmissbrauch betreibt, erst in der Gosse landen muss, bevor er sich zu einem Weg aus der Sucht durchringen kann. Richtig ist vielmehr, dass dies jederzeit - also in jeder Phase der Abhängigkeit - möglich ist. Ganz ohne Hilfe von außen ist es allerdings schwer, einen solchen Schritt zu tun. Hier ist der suchtkranke Mitarbeiter auf die Hilfe des Vorgesetzten angewiesen. Der Vorgesetzte sollte diese Chance nutzen. Es ist eine Chance, dem Betroffenen seine Gesundheit und seinen Arbeitsplatz zu erhalten und dem Betrieb einen bewährten Mitarbeiter.

Abbildung: Die Alkohol-Statistik

Die BGN möchte die Betriebe bei der Thematik "Alkohol im Betrieb" gerne unterstützen und bietet dazu Seminare für verschiedene Zielgruppen an.

Bei Fragen zu den Seminarinhalten oder allgemein zur Suchtprävention im Betrieb rufen Sie bei der BGN an. Auskunft erteilt Dr. Martina Hamacher, Abteilung Gesundheitsschutz, BGN München, Fon 0 89/ 8 94 66-58 20



Autor: Lucko
Autor: Tiedemann