2. Rechtliche Grundlagen

 

2.1 Arbeitsschutzgesetz

Das 1996 in Kraft getretene Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gilt sowohl in gewerblichen Unternehmen als auch für den öffentlichen Dienst und legt erstmals für alle Arbeitgeber und Beschäftigten einheitliche Grundpflichten im Arbeitsschutz fest.

Auf Detailregelungen wurde bewusst verzichtet, um den Betrieben die Möglichkeit zu geben, den gesetzlichen Rahmen flexibel und den Erfordernissen der Praxis entsprechend auszufüllen. Somit wird die Eigenverantwortlichkeit der Betriebe in stärkerem Maße als bisher gefördert. Die grundlegende Pflicht des Arbeitgebers ist es, "die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen" (§ 3 (1) ArbSchG). Der Begriff "Arbeitsschutz" umfasst dabei sowohl die Verhütung von Unfällen, als auch von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit (§ 2 (1) ArbSchG).

Wie kann der Arbeitgeber nun wissen, welche Maßnahmen zu treffen sind? Das Arbeitsschutzgesetz zeigt hier den Weg auf: Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen (= Gefährdungsbeurteilung) zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Dabei ist die Beurteilung je nach der Art der Tätigkeiten vorzunehmen, wobei bei gleichartigen Arbeitsbedingungen "die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend" ist (§ 5 ArbSchG). Neben Gefährdungen, die sich aus der Gestaltung und der Einrichtung des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeitsstätte, durch Gestaltung und den Einsatz von Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen oder durch physikalische, chemische und biologische Einwirkungen ergeben, sind auch psychische Belastungen bei der Arbeit zu berücksichtigen.

Das Gesetz macht jedoch keine detaillierten Vorgaben, in welcher Form die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Es fordert lediglich, dass der Arbeitgeber über die, je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten, erforderlichen Unterlagen verfügen muss. Aus den Unterlagen muss das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sein.

Für die Auswahl von Maßnahmen legt das Arbeitsschutzgesetz einige allgemeine Grundsätze fest (vgl. § 4 ArbSchG).

Im Einzelnen fordert das Gesetz vom Arbeitgeber:

  1. die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird,

  2. die Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen,

  3. bei den gewählten Maßnahmen den Stand der Technik, die Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen,

  4. Maßnahmen mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen,

  5. individuelle Schutzmaßnahmen (z. B. die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung) nachrangig zu anderen Maßnahmen vorzusehen,

  6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Personengruppen (z. B. werdende Mütter, Jugendliche, Schwerbehinderte) zu berücksichtigen sowie

  7. den Beschäftigten geeignete Anweisungen für sicheres Arbeiten zu erteilen.

 

2.2 Weitere Rechtsverordnungen zum betrieblichen Arbeitsschutz

Zur Ausgestaltung der grundlegenden Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes hat die Bundesregierung eine Reihe von Rechtsverordnungen erlassen.

Auch in diesen Verordnungen ist die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung ein zentrales Element. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er die allgemeine Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG für bestimmte Gefährdungsfaktoren (z. B. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, Explosionsgefährdungen) oder bezüglich einzelner Arbeitssystem-Elemente (z. B. Arbeitsmittel, überwachungsbedürftige Anlagen) erweitern bzw. untersetzen muss (vgl. auch Abb. 1). Die nachfolgende Tabelle 1 enthält eine Auflistung der jeweiligen Verordnungen sowie der dort genannten Einzelaspekte der Gefährdungsbeurteilung.

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Tabelle 1: Rechtsverordnung zum ArbSchG/Einzelaspekte der Gefährdungsbeurteilung
Stand Juni 2018

Verordnung Fundstelle Aspekte der Gefährdungsbeurteilung
Arbeitsmedizinische Vorsorge (ArbMedVV) § 3 (1) Auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge sorgen.
Arbeitsstätten (ArbStättV) § 3 Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten:
Betriebssicherheit (BetrSichV) § 3 (1) Gefährdungen durch Arbeitsmittel beurteilen und notwendige Schutzmaßnahmen ableiten
§ 3 (6) Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen von Arbeitsmitteln festlegen
Biologische Arbeitsstoffe (BioStoffV) §§ 6,7 Gefährdungen durch Biostoffe bei gezielten und bei nicht gezielten Tätigkeiten. Insbesondere Einstufung der vorhandenen Biostoffe in Risikogruppen und Festlegung entsprechender Schutzstufen (Maßnahmen)
Gefahrstoffe (GefStoffV) §§ 6,7 Gefährdungen durch Gefahrstoffe, direkt oder durch Freisetzen während der Tätigkeit. Die zum Schutz der Beschäftigten erforderlichen Maßnahmen sind vor der Aufnahme der Tätigkeiten zu treffen.
§ 6 (4) Ermittlung, ob die verwendeten Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse zu Brand- oder Explosionsereignissen führen können.
§ 6 (9) Bei der Dokumentation sind Gefährdungen durch explosionsfähige Gemische besonders auszuweisen (Explosionsschutzdokument)
Lärm und Vibrationen (LärmVibrationsArbSchV) § 3 Feststellung, ob Beschäftigte Lärm bzw. Vibrationen ausgesetzt sind. Ermittlung und Bewertung der Expositionssituation am Arbeitsplatz. Wenn Auslöse- bzw. Expositionsgrenzwerte nicht sicher eingehalten sind, müssen Messungen durchgeführt werden. Bei der Gefährdungsbeurteilung sind insbesondere die in § 3 (2) und § 3 (3) LärmVibrationsArbSchV genannten Aspekte zu berücksichtigen
Lastenhandhabung (LasthandhabV) § 2 (2) Gefährdungen durch manuelle Lastenhandhabung. Beurteilung der Arbeitsbedingungen insbesondere hinsichtlich der zu handhabenden Last, der zu erfüllenden Arbeitsaufgabe sowie der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung

Abb. 1 Systematik bei der Gefährdungsbeurteilung

Abb. 1 Systematik bei der Gefährdungsbeurteilung

 

Autor: Hartmann
2020-7-16